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Sklaverei und Loyalität: Das Russische und das Osmanische Reich

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 355907952
 
In welchem Verhältnis standen Sklaverei und Befreiung im Wettbewerb des Moskauer und des Osmanischen Reiches um die Loyalitäten der Bevölkerungen um das Schwarze Meer? Sklavenjagden und Handel betrafen in der Region zwischen Kaukasus und Ungarn zwischen 1475 und 1700 zwei bis drei Millionen Menschen, die überwiegend auf den Märkten im Süden verkauft wurden. Moskau setzte auf die Befestigung der Steppengrenzgebiete, Loskauf und expansive Sklavenbefreiungsideologien; es griff zu diesen Zwecken auf muslimische Untertanen zurück. Muslimische Reiche haben schon früh auf die Gewährung begrenzter Rechte gesetzt, um aus Sklaven loyale Untertanen zu machen. Im Osmanischen Reich wurde Loyalität oft schon von Sklaven eingeübt, denen weitgehende Freizügigkeit oder vertragliche Manumission zugebilligt wurde. Zwischen diesen Polen gab es in der Frühen Neuzeit zahlreiche Übergänge: Mittler, Kaufleute, diplomatische Abgesandte, Kleriker, Übersetzer und Kosaken mit weitreichenden Verbindungen, deren Loyalitäten für den Loskauf entscheidend waren. Zurückkehrende, freigelassene oder entkommene Sklaven vollzogen selbst diese transosmanischen Übergänge, zumal die meisten ehemaligen Sklaven bei ihren früheren Herrn blieben. Das Projekt betrachtet diese Übergänge aus Moskauer Sicht und profitiert von im Projekt Transottomanica vermittelten osmanischen Kontexten. Wie vergewisserte sich das Moskauer Reich der Loyalität der zurückgekehrten Gefangenen und Entführten, die muslimischen Einflüssen ausgesetzt waren? Wie versuchte Moskau, die Loyalität muslimischer Tataren zu inspirieren, die ausgiebig mit ihren Glaubensgenossen auf der anderen Seite der Steppe kommunizierten? Methodisch greift das Projekt auf den Werkzeugkasten neuerer Studien zur Loyalität zurück, die sich auf die Soziologien Max Webers und Georg Simmels stützen. Damit wird es möglich, bislang für vorwiegend unergiebig gehaltene Archivbestände der Untersuchungen über losgekaufte Sklaven zu analysieren. Archivrecherchen des Antragstellers haben zudem einige ausführliche Sklavennarrative zu Tage gefördert, die besonders Auskunft zu den Übergängen und Gründen für das Verlassen des wohlhabenden Osmanischen Reichs geben. Damit transportieren sie implizit Erwartungen an die Sklavenhalter, die sonst von Sklaven nicht direkt angesprochen wurden. Chroniken, Heiligenviten, Fresken sowie kirchliche Rituale und Festspiele formulierten die Ideologie Moskaus als Neues Israel und des Zaren als neuem Moses, der die orthodoxen Sklaven wie einst Israel aus der ägyptischen Sklaverei befreit. Genetisch gemeinsame Motive der hesychastischen und sufischen Mystik halfen, die Übergänge zwischen den Reichen zu ebnen. Gleichzeitig wurde unter Rückgriff auf zentrale Glaubenssätze die Grenze des Zulässigen markiert. Dazu ist eine Kooperation mit S. Conermann vereinbart, um diskursiv die Zusammenhänge zwischen osmanischen Fürstenspiegeln, Manumissionen und ihrer Kritik in Moskauer Quellen zu untersuchen.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
Kooperationspartner Professor Dr. Stephan Conermann
 
 

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