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Der Schreibtisch des Kaisers: Ort der Politik und Entscheidung in der Habsburgermonarchie? Franz Joseph I und dessen Kabinettskanzlei
Antragstellerin
Professorin Dr. Jana Osterkamp
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2017 bis 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 360187517
Der Schreibtisch des Kaisers: ein Ort politischer Entscheidungen in der Habsburgermonarchie?Viele Bilder zeigen Kaiser Franz Joseph als disziplinierten Schreibtischtäter. Sie stimmen überein mit seiner Selbstbeschreibung. Für seine Tätigkeit erhielt er allerdings Unterstützung durch die Kabinettskanzlei. Sie registrierte und protokollierte die etwa 250.000 sog. Vorträge (schriftliche Vermerke von Ministerien, Landesvertretern, Privaten u.a.), die der Kaiser während seiner Regierungszeit erledigte. Unser Projekt macht sich diese sorgfältige bürokratische Erschließung der Eingaben zu nutze. Wir verstehen sie als eine Art Kanal, mithilfe dessen erstmals die gesamte Regierungstätigkeit der Habsburgermonarchie durch eine statistische Politikfeldanalyse sichtbar wird.Wir notieren die Verteilung der Vorträge auf die einzelnen Politikfelder und verfolgen deren Veränderung im Laufe der Zeit. Dadurch erhalten wir eine Gesamtschau auf die Regierungstätigkeit und -zeit von Kaiser Franz Joseph I. Zusätzlich füllen wir zwei ausgewählte Politikbereiche detailliert mit Leben: Infrastruktur/Technologie und symbolische Politik. Die beiden Politikbereiche stehen für unterschiedliche Verteilungsfragen von materiellen und immateriellen Ressourcen sowie für zwei verschiedenartige Strategien zur politischen Integration der Monarchie. Wir interessieren uns besonders für die staatlichen und nicht-staatlichen Akteure, die dabei beteiligt waren und deren Kooperation in informellen Netzwerken. Vor diesem Hintergrund nehmen die jeweiligen Vorträge näher in den Blick. Welche Aspekte des politischen Prozesses, den die Netzwerkanalyse rekonstruiert hat, wurden dem Kaiser in den Eingaben zugänglich gemacht? Welche Kommunikationsstrategien führten zum Erfolg? Was waren die wichtigsten selling points beispielsweise für Ordensverleihungen und Nobilitierungen?Ein letzter Teil des Projektes untersucht die Kabinettskanzlei selbst als Ort der Politik. Ihre Mitarbeiter waren in informelle Netzwerke eingebunden. Das traf vor allem auf ihren hoch dekorierten Direktor Adolf Braun zu, der zwischen 1865 und 1899 die Geschicke dieser Einrichtung bestimmte. Im bisher noch unbearbeiteten Nachlass von Braun findet sich seine amtliche Korrespondenz, die er mit etwa 3.000 Männern und Frauen aus unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung und verschiedenen Teilen der Monarchie geführt hatte. Eine geschickte Kombination von Text- und Netzwerkanalyse wird erstmals wesentliche Aufschlüsse über die Logik informeller Politik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bieten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Österreich
Mitverantwortlich
Professor Dr. Peter Becker