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Zwischen Erwartungshaltung und Empathie: Expertise-Aushandlung und Verständigungspraktiken in der Online-Wissenschaftskommunikation

Antragstellerinnen / Antragsteller Dr. Michael Bender; Professorin Dr. Nina Janich
Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Förderung Förderung seit 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 517920702
 
Ob die Wissenschaft die drängendsten Probleme der Gesellschaft lösen kann, wird gerade seit der Covid-19-Pandemie immer heftiger diskutiert. Dabei hat sich der Ton verschärft, die Gesellschaft wird als polarisiert wahrgenommen, die Konflikte erscheinen unlösbar. Es wird daher immer wichtiger, eine erfolgreiche Verständigung über gesellschaftliche Problemlagen, für die wissenschaftliche Expertise benötigt wird, zu ermöglichen - und zwar gerade über verschiedene Interessenslagen, Wissensressourcen und Sozialisierungen hinweg. Zahlreiche Wissenschaftler bringen sich daher kommunikativ in die öffentliche Debatte ein, u.a. über Wissenschaftsblogs, die es in besonderer Weise ermöglichen, sich breit und öffentlich auszutauschen und auch Bürger mit unterschiedlichem Vorwissen am Diskurs partizipieren zu lassen. Kommentare zu Blogposts, wie sie in reicher Zahl und thematischer Breite auf dem seit 2000 verfügbaren Wissenschaftsportal "SciLogs - Tagebücher der Wissenschaft" (Spektrum-Verlag) vorliegen, zeigen, dass dabei beständig, und keineswegs nur sachlich, Aushandlungsprozesse von Expertise stattfinden. Konflikte entstehen hier, weil unterschiedliche Erwartungen an professionelle, mediale und soziale Rollen und damit verbundene kommunikative Praktiken herrschen, aber auch weil es an gegenseitigem Verständnis für die unterschiedlichen Positionen und Perspektiven in verschiedenen Rollenkonstellationen fehlt, z.B. im Experten-Laien-Spektrum. Empathie ist also ein Problemfaktor. Das Ziel des Projekts ist daher die linguistische Operationalisierung von Empathie-Phänomenen in systematischer Verbindung mit dem Konzept von Erwartung und reziproker Erwartungserwartung. Dies geschieht zum einen im Zuge einer soziopragmatisch in die Tiefe gehenden Analyse von Verständigungspraktiken in den Kommentarverläufen zu SciLog-Blogposts, die zur Aushandlung von Expertise dienen. Diese sollen durch qualitative Textannotation und die korpuslinguistische Detektion damit verbundener sprachlicher Muster systematisch beschreibbar gemacht werden. Die Tragfähigkeit der hypothesen- und korpusgeleitet entwickelten Kategorien und Indikatoren soll zudem mittels datengeleiteter algorithmischer Methoden unter Einbeziehung von Referenzkorpora auf ihre Validität und Übertragbarkeit überprüft werden. Schließlich sollen am Beispiel des im Korpus überproportional repräsentierten Klimawandel-Diskurses Einsichten über die Dynamik und den Wandel von Verständigungspraktiken unter dem transformatorischen Einfluss von gesellschaftlichen Krisen wie der Covid-19-Pandemie gewonnen werden. Ein besonderes Augenmerk des mit einem Mixed-Methods-Ansatz arbeitenden diskurs- und korpuslinguistischen Projekts liegt darauf, welche Praktiken entscheidend für Erfolg oder Misserfolg in der Verständigung sind und welche diskursiven Momente in den Kommentarabläufen sensible Kipppunkte darstellen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Schweiz
Kooperationspartner Professor Dr. Noah Bubenhofer
 
 

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