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Das Böse im Kontext dualistischer Weltwahrnehmung. Ein Vergleich dreier Konzeptionen (Qumran, johanneische Schriften und Johannesaprokryphon).

Antragstellerin Dr. Jutta Leonhardt-Balzer
Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2005 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5444488
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Begriff, das Böse dient der Deutung negativer Erfahrungen. Er wird von Einzelpersonen, gesellschaftlichen und religiösen Gruppen unterschiedlich gefüllt. Dieses Projekt geht der Frage nach, wie diese Erfahrungen gedeutet werden und welche Funktion die Konstruktionen des Bösen für Menschen und Gruppen in unterschiedlichen gesellschaftlichen und religiösen Kontexten haben. Am schärfsten profiliert sind die Aussagen über das Böse dort, wo eine, in mehr oder strengem Sinne, Dualistische1 Weltsicht vorliegt. Da aber auch, Dualismus in unterschiedlichen Spielarten vorkommt, werden drei Ansätze Dualistischen' Denkens im Vergleich untersucht werden, die je verschiedenen - aber nicht völlig zu trennenden - gesellschaftlichen und religiösen Kontexten zugehören. Diese sind ein frühjüdischer Ansatz aus den Texten von Qumran, ein frühchristlicher, die Theologie des Johanneischen Schrifttums (Johannesevangelium und -Briefe), sowie ein gnostischer aus dem Corpus der Nag-Hammadi-Texte, das Johannesapokryphon, das sich allein schon mit seinem Titel in die johanneische Tradition stellt. In allen drei Textkorpora kommen dualistische Gedanken in zum Teil verwandter, aber im Detail doch sehr unterschiedlicher Weise zur Sprache. Das Projekt geht auf der Basis von historisch-kritischen und traditionsgeschichtlichen Textanalysen der Frage nach der Funktion der Rede vom Bösen für die jeweiligen Trägerkreise nach. Der Schritt vom Text zum Trägerkreis erfolgt vor allem mit Hilfe der Wissenssoziologie und ihrer Erklärung der Entstehung von Weltwahrnehmungen. Damit können auch unterschiedliche dualistische Ansätze auf ihren Erfahrungshintergrund hin verglichen werden. Es zeigt sich, dass die konkrete Form der dualistischen Weltwahrnehmung stark mit der sozialen Struktur der Trägerkreise zu tun hat. So ist eine Gemeinde wie die aus Qumran, die sich völlig von der Außenwelt abschottet, von einem strengen kosmischen und ethischen Dualismus geprägt, der das eigene Erwählungsbewusstsein stützt und die nicht zur Gemeinde gehörende Welt als konsequent als böse und dämonisch markiert. Das ethische Konzept der Gemeinde wird zum Maßstab für das gottgemäße Verhalten. Im Gegensatz dazu findet sich in den Johanneischen Schriften ein soteriologischer Dualismus mit soziologisch moderateren Folgen: die Welt ist nicht grundsätzlich böse, sie wird es erst, indem sie den Sohn Gottes - oder die Verkündigung der Gemeinde - ablehnt. Dennoch bleibt sie Ziel der Verkündigung der Gemeinde. Die Gemeinde lässt sich zwar als eigene Gruppe erkennen, kann aber nicht als Sekte beschrieben werden. Noch weniger deutliche Gruppenstrukturen zeigen die Trägerkreise des Johannesapokryphons, die den kosmischen Dualismus psychologisch konkretisieren und auf diese Weise die Möglichkeit nutzen, in einer nicht-gnosttschen Gemeinde eine Untergruppe zu bilden, ohne notwendigerweise ausgeprägte Sozialstrukturen zu entwickeln. Ausgehend von einer konsequenten Untersuchung der drei Textkorpora entwickelt so das Projekt zur Entwicklung eine Methodik zur Anwendung der Wissenssoziologie auf die Interpretation antiker Texte. Es bietet eine neue Perspektive auf die Auslegung der Texte und erweitert unser Verständnis der Menschen, die durch sie ihre Weltsicht zur Sprache gebracht haben. Gleichzeitig trägt es zur Forschung zum Dualismus bei, indem seine sozialen Zusammenhänge aufgezeigt werden, was auch für moderne dualistische Weltwahrnehmungen von Bedeutung sein kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Apokalyptische Motive im Johannes-Apokryphon, in M. Becker, M. Oehler (Hg.), Apokalyptik als bleibende Herausforderung neutestamentlicher Theologie, WUNT II 214, Tübingen 2007, 235-263.

  • Artikel: Dualism, in J. J. Collins, D. C. Harlow (Hg.), The Dictionary of Early Judaism, Grand Rapids 2007.

  • Gestalten des Bösen im frühen Christentum, in J, Frey, M. Becker (Hg.), Apokalyptik und Qumran, Einblicke. Ergebnisse - Berichte - Reflexionen aus Tagungen der Katholischen Akademie Schwerte 10, Paderborn 2007, 203- 235.

  • On the redactional and theological relationship between the Gospel of Thomas and the Apocryphon of John, Beitrag im Tagungsband "Das Thomasevangelium im Kontext der frühchristlichen und spätantiken Literatur- und Religionsgeschichte", Eisenach, 1.-4.10.2006, hg. von J. Frey, J. Schröter, E. E. Popkes, BZNW, Verlag Walter de Gruyter, 2008.

 
 

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