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Die Konstitutionalisierung transnationaler Räume: Emergente Verfassungsprozesse und konstitutionelle Deutungssemantik in der politikwissenschaftlichen Analyse

Subject Area Political Science
Term from 2009 to 2013
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 103011678
 
Final Report Year 2014

Final Report Abstract

Das vorliegende Forschungsprojekt ist der Frage nachgegangen, ob und in welcher Weise die Idee der Verfassung in den Diskursen um die Konstitutionalisierung Europas zum Ausdruck kommt. Ein Spezifikum des Forschungsprojekts besteht darin, mit einer politikwissenschaftlichen Perspektive die Emergenz zentraler Ordnungsfunktionen von Konstitutionalisierungsprozessen auf der europäischen Ebene zu untersuchen. Diese Perspektive setzt einen kulturwissenschaftlich grundierten Verfassungsbegriff voraus, mit dem einerseits die enge Bindung an den Staat aufgegeben wird und andererseits aber die Verfassung als ein normativer Rahmen für Politik verstanden wird. Eine Verfassung muss also auch auf europäischer Ebene einen politischen Geltungsanspruch aufweisen können. Die Antwort auf die Forschungsfrage fällt differenziert aus. Einerseits konnten die Mitarbeiter des Projektes ein breites Diskursfeldes mit unterschiedlichen Positionen identifizieren. Hier scheint kaum noch Streitigkeit darüber zu bestehen, dass zentrale Ordnungsfunktionen einer Verfassung von der europäischen Rechtsordnung übernommen werden. Andererseits bleibt die Legitimität der Ausübung dieser Ordnungsfunktionen, ihre Reichweite und schließlich auch die Frage, wie mit Geltungskonkurrenzen zwischen mitgliedsstaatlichen Verfassungen und europäischer Rechtsordnung umzugehen ist, umstritten. Gerade die verschiedenen Strategien der Legitimitätserzeugung in den verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzungen, die zunehmende Attraktivität normativer Kohärenzkonzeptionen gegenüber den nationalstaatlich geprägten narrativen Kohärenzkonzeptionen, deuten bereits die Möglichkeit eines fundamentalen Wandels der europäischen Rechtsordnung an. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive lässt sich daher konstatieren, dass die europäische Rechtsordnung einem handlungsleitenden, regulativen Ordnungsarrangement gegenwärtig sehr viel näher steht, als sie dies beispielsweise bei den Diskursen um den Konvent für eine Europäische Verfassung je war. Mit dieser Diagnose sind jedoch einige zentrale Perspektivverschiebungen hervorzuheben. So gilt es zunächst, sich von der gewohnten Einsicht zu verabschieden, dass Verfassung und Verfasstheit allein eine exklusive Verbindung mit dem demokratischen Nationalstaat eingehen. Die gegenwärtigen Entwicklungen moderner Staatlichkeit geben vielmehr dazu Anlass, und hier ist den Vertretern der Fragmentierungsthese zuzustimmen, dass eine Disjunktion von Verfassung, Staat und Demokratie zu beobachten ist. Damit wird jedoch nicht auch gleichzeitig die These mitgetragen, dass die Geltung dieser entkoppelten Verfassung, wenn sie nicht mehr vom Nationalstaat gewährleistet wird, allein eine Frage systemischer Rationalität sei. Im Gegenteil bleibt zweitens festzuhalten, dass auch eine europäische Verfassung, die dann vom Nationalstaat abgelöst ist, als normativer Rahmen für die Politik einen genuin politischen Geltungsanspruch in sich trägt. Dieser Geltungsanspruch der Verfassung findet seinen Ausdruck in den symbolischen Formen und Praxen der Aneignung durch die Bürger und institutionellen Akteure der Politik. Die Suche nach der Verfasstheit Europas endet daher keinesfalls in einer Beobachtung der rechts- und sozialwissenschaftlichen Diskurse, sondern nimmt von dort ihren Ausgangspunkt. Insofern hat das Projekt eine vielversprechende Perspektive auf zukünftige Analysen der Verfasstheit des europäischen Integrationsprojektes geliefert.

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