Das Museum Fridericianum als ein Ziel von Bildungs- und Forschungsreisen der europäischen Aufklärung. Kommentierte, digitalisierte Edition des Besucherbuches 1769-1796.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ausgangspunkt der Projektarbeit war die Bedeutung des Besucherbuchs als Quelle für die Museums-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte, die Kulturtransfer- und Reiseforschung sowie für die Biographik und allgemeine Geschichte der Aufklärungszeit. Mit rund 14.000 bio-bibliographischen Datensätzen liefert die jetzt vorliegende Edition des Buchs für all die genannten Bereiche der Aufklärungsforschung eine Fülle von grundlegenden neuen Informationen. Die erste vollständige Erschließung eines Besucherbuchs aus der Frühzeit des Museums erlaubt nun genaue Kenntnisse über die standes-, geschlechts-, berufs-, lokal-, konfessions- und altersspezifische sowie historisch-politisch bedingte Verteilung der Besuchergruppen – mit zum Teil überraschenden Ergebnissen zu Bedeutung und Bandbreite des Publikums. Das Besucherbuch dokumentiert und begleitet anschaulich den Wandel von der traditionellen fürstlichen Kunstkammer hin zum modernen Museum als einer öffentlichen Bildungseinrichtung und läßt erkennen, dass das Konzept – einerseits wissenschaftliche Ausrichtung, andererseits bildungspolitisch motivierte Öffnung für Jedermann – aufging. Wie kaum eine andere Quellengattung veranschaulicht damit zugleich schon eine Seite des Besucherbuches auf einen Blick die Vernetzung und zugleich „Verflüssigung“ von tradierten Zusammenhängen, von Mobilität und Kommunikation sowie der sich überlagernden Ökonomien des Handelns und des Wissens in dieser Zeit. Hatte bereits das Kunsthaus ein vielfältiges Publikum angezogen, so wurde das noch leichter zugängliche Museum Fridericianum mit seinen breit angelegten und anschaulich präsentierten Sammlungen in Verbindung mit der großen Bibliothek zu einem begehrten Ziel von Bildungs- und Forschungsreisenden aus aller Welt. Das Besucherbuch dokumentiert die Wirkung dieses „Museums der Aufklärung“ sowohl in der internationalen Gelehrtenwelt wie in der allgemeinen Bildungsgeschichte und belegt damit auch, welch wichtige und bislang unterschätzte Rolle Kassel durch dieses Museumspublikum unter den Zentren der europäischen Aufklärung einnahm. Abschließend lässt sich festhalten: Die vor Beginn der Quellenarbeit formulierten Thesen zum Aussagegehalt des Besucherbuchs wurden durch die im Berichtszeitraum erarbeiteten Ergebnisse bestätigt, ja diese gehen über die Zielsetzung zum Zeitpunkt der Antragstellung weit hinaus. Das Projekt hat durch die komplette Erschließung, digitale Präsentation und erste Auswertung einer herausragenden historischen Quelle zentrale Felder der Aufklärungsforschung empirisch bereichert und wird dadurch weitere Forschung garantieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Mr Chaplin de Londres a vu avec le plus grand plaisir“. Das Besucherbuch von Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel, 1769-1796. Ein Editionsprojekt der DFG. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Bd. 114 (2009), S. 161–176
Andrea Linnebach
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Raspe, Rudolph Erich. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. Hg. von Wilhelm Kühlmann. Bd. 9, Berlin u.a. 2010, S. 431-433
Andrea Linnebach
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In den „Sümpfen der Hypothesen“ – Wissensvermittlung auf Irrwegen: die Prillwitzer Idole und die landesarchäologische Forschung in der Aufklärungszeit. In: Buchkultur und Wissensvermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Hg. v. Andreas Gardt, Mireille Schnyder, Jürgen Wolf. Berlin/Boston 2011, S. 293-310
Andrea Linnebach
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Wissenspopularisierung in der Aufklärung: das Kasseler Kunsthaus im Blickpunkt von "Liebhabern und Reisenden", 1769–1779. In: Buchkultur und Wissensvermittlung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Hg. v. Andreas Gardt, Mireille Schnyder, Jürgen Wolf. Berlin/Boston 2011, S. 147–162
Renate Dürr
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Das Museum der Aufklärung und sein Publikum – „Raritätenkram für jeden Narren“? Zum Besucherbuch von Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel. In: Die Sachen der Aufklärung. Beiträge zur DGEJ-Jahrestagung 2010 in Halle a. d. Saale. Hg. von Frauke Berndt, Daniel Fulda (= Studien zum 18. Jahrhundert, Bd. 34). Hamburg 2012, S. 479-489
Andrea Linnebach
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Das Museum der Aufklärung und sein Publikum. Vortrag zu den Ergebnissen des DFG-Projekts zum Besucherbuch von Kunsthaus und Museum Fridericianum 1769-1796. 28.02.2012, Universitätsbibliothek Kassel
Andrea Linnebach
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Das Besucherbuch von Kunsthaus und Museum Fridericianum in Kassel 1769-1796. Kommentierte, digitalisierte Edition (2013, Webportal der Universitätsbibliothek). Online-Datenbank
Andrea Linnebach