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Dispositives Recht: Governance von Markt und Verband

Fachliche Zuordnung Privatrecht
Förderung Förderung von 2009 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 107069213
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Während durch neue Regelwerke und Regelungswettbewerb die Wahlfreiheit der Regeladressaten wächst, gewinnt derzeit umgekehrt die Frage nach Steuerungsfähigkeit und -funktionen des Privatrechts an Bedeutung. Besonders die globale Finanzkrise führte die Gefahren ungeregelter Märkte deutlich vor Augen. Ordnung und Steuerung lassen sich jedoch nur begrenzt durch zwingendes Privatrecht erreichen, weil der Gesetzgeber ansonsten die Privatrechtsgesellschaft in Frage stellen und zugleich die eigene Rechtsordnung im internationalen Vergleich unattraktiv machen würde. Umso mehr gilt es, Wirkungsweise und Wirkkraft eines Regelungsinstruments mit denkbar geringer Eingriffsintensität auszuloten: Dispositives Recht ist abdingbar, gilt aber kraft hoheitlicher Anordnung subsidiär; es lässt Raum für privatautonome Gestaltung, entspricht aber nicht notwendig dem Willen der Regeladressaten. In diesem Spannungsfeld zwischen privatautonomer und hoheitlicher Gestaltung lag der Ausgangspunkt der Untersuchung. Der Blick richtete sich zunächst auf den „Zweck im dispositiven Recht“: Welchen Aufgaben vermag dieses Regelungsinstrument zu dienen? Beabsichtigt es lediglich die Ergänzung privater Abreden oder zielt es auch auf die Steuerung privaten Verhaltens? Der Begriff des Zwecks wird traditionell nicht auf Regeln, Instrumente oder Systeme bezogen, sondern auf menschliches Handeln. Hinter jedem Regelungsinstrument stecken menschliche Akteure, so dass die Frage nach deren Zweck in Wahrheit menschlichem Handeln gilt: Welche der genannten Zwecke kann der Gesetzgeber mit dispositiven Regeln erreichen; welche Zwecke verfolgen umgekehrt private Regeladressaten, wenn sie dispositive Regeln abbedingen? Beide Fragen lassen sich nur beantworten, wenn man die Handlungsrationalitäten aller beteiligten Akteure bedenkt, jene der Regelgeber, aber eben auch jene der Regeladressaten. Die Untersuchung nahm somit vor allem die Handlungsrationalitäten der Akteure in den Blick und stützt sich dabei auf Verhaltensmodelle, wie sie von den ökonomischen und soziologischen Nachbarwissenschaften angeboten werden. Handlungsrationalitäten hängen ihrerseits von den Strukturen ab, innerhalb derer die fraglichen Akteure entscheiden. Private Verhandlungen erfolgen im „Schatten des Rechts“; sie werden von den Regelungsstrukturen beeinflusst, die der Gesetzgeber als rechtliche Infrastruktur auch in Form dispositiver Regeln bereitstellt. Umgekehrt können dispositive Regeln nur im „Schatten der Abbedingung“ erlassen werden. Ist ihr materieller Gehalt für die Regeladressaten zu unattraktiv, werden diese Regeln nämlich abbedungen und sie verlieren ihre Bedeutung. Zugleich agiert der Normgeber innerhalb höherrangiger Strukturen; er kann dispositives Recht nur in dem Rahmen erlassen, den ihm insbesondere das Verfassungsrecht vorgibt. Wenn sich Handlungsrationalitäten nur mit Blick auf Regelungsstrukturen untersuchen lassen, sind deshalb neben den privatrechtlichen Regelungsstrukturen auch jene des höherrangigen Rechts zu bedenken. Das Bindeglied zwischen Zwecken und Strukturen bilden die Methoden. Methodenfragen rechtsdogmatischer Art stellen sich naturgemäß bei der Anwendung dispositiven Rechts, bei dessen Auslegung und Fortbildung. Daneben geht es jedoch auch bei der Abbedingung selbst um Methoden, wenn etwa gefragt wird, auf welche Art und Weise eine bestimmte dispositive Regel von den Regeladressaten abbedungen werden kann. Die Methoden der Abbedingung erwiesen sich als ausgesprochen vielfältig und vielschichtig. Umgekehrt geht es auch bei der Normgebung um methodische Überlegungen, beispielsweise um die Fragen, ob dispositives Recht gesetzlich kodifiziert oder durch die Rechtsprechung entwickelt werden soll, in welcher inhaltlichen Detailgenauigkeit es zu formulieren ist und welchen formellen und prozeduralen Anforderungen es genügen muss. Methoden gewinnen zusätzlich an Bedeutung, weil sich das Umfeld des dispositiven Rechts als zunehmend dynamisch erweist: Innovation, Globalisierung und Entstaatlichung stellen das Regelungsinstrument vor neue und große Herausforderungen. Am Ende der Arbeit stehen daher Vorschläge, um mit Hilfe geeigneter Methoden der Normsetzung und –anwendung geeignete Regelungsstrategien zu entwickeln.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • "Governance by Default“ – Innovation und Koordination durch dispositives Recht, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, Berlin (de Gruyter), 2010, S. 2861-2880
    Florian Möslein
  • Contract Governance und Corporate Governance im Zusammenspiel – Lehren aus der globalen Finanzkrise, Juristenzeitung (JZ) 2010, 72-80
    Florian Möslein
  • Legal Innovation in European Contract Law: Within and Beyond the (Draft) Common Frame of Reference, in: Micklitz/Cafaggi (Hrsg.), After the Common Frame of Reference – What Future for European Contract Law?, Cheltenham (Edward Elgar), 2010, S. 173-200
    Florian Möslein
  • Dispositives Recht – Zwecke, Strukturen und Methoden, Tübingen (Mohr Siebeck), 2011, XX + 640 Seiten
    Florian Möslein
 
 

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