Gewinne und Verluste. Ambivalenzen einer stärkeren Involvierung des Vaters im familialen Binnenraum
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Erkenntnisinteresse des Projekts lag auf unterschiedlichen Formen involvierter Vaterschaft sowie den Konsequenzen, die ein stärkeres intrafamiliales Engagement des Vaters für das Beziehungsgefüge und die Beziehungsgestaltung eines Paares hat. Dies wurde in milieuvergleichender Perspektive (gebildete bürgerliche Mittelschicht sowie Arbeiter- und einfaches Angestelltenmilieu) und im Vergleich zwischen ost- und westdeutschen Paaren mittels biographisch-narrativer Paarinterviews untersucht. Insgesamt wurden 36 Interviews geführt. Zentrale Bedingungen für ein stärkeres Engagement des Vaters im familialen Binnenraum sind auf drei Ebenen zu finden: ein Biographieentwurf jenseits der männlichen berufszentrierten Normalbiographie, eine Enttraditionalisierung nicht nur von Vater-, sondern auch von Mutterschaft sowie eine Vermittlung neuer Formen von Vaterschaft mit traditionellen Männlichkeitskonzepten. Hinsichtlich milieuspezifischer Unterschiede zeigten sich für die westdeutschen Paare eine gleichstellungspolitisch-egaliläre Rahmung des väterlichen Engagements in der gebildeten Mittelschicht und eine pragmatisch-komplementäre Rahmung im Facharbeiter- und einfachen Angestelltenmilieu. Die Unterschiede zwischen den Milieus der ostdeutschen Paare waren weniger ausgeprägt. Hier dominierte milieuübergreifend eine selbstverständlich-pragmatische Orientierung. Im Vergleich der mit ostdeutschen und westdeutschen Paaren geführten Interviews wurde eine Hegemonie westdeutscher Perspektiven auf den Topos „aktive Vaterschaft" sichtbar, welche nicht nur in öffentlichen Diskursen reproduziert wird, sondern sich auch in der Formulierung unserer Forschungsfrage widerspiegelte, die aktive Vaterschaft (implizit) als etwas Außergewöhnliches markiert. Während die westdeutschen Paare diese Rahmung des Themas teilten, wurde sie von den ostdeutschen Paaren häufig in Frage gestellt. Sie entspricht nicht deren Wahrnehmung des väterlichen Engagements in der Familie als etwas Selbstverständlichem. Vor diesem Hintergrund erscheint den ostdeutschen Interviewten eine auf den gleichstellungs- und familienpolitischen Diskurs bezogene Vaterschaftspraxis, wie sie „Westvätern" zugeschrieben wird, als nicht „authentisch", sondern als „inszeniert". Involvierte Vaterschaft ist bislang weitgehend ein diskursives Phänomen. Die mangelnde Umsetzung in alltägliche Praxis ist hinlänglich bekannt und findet sich auch im eigenen Material. Die Studie zeigt darüber hinaus, dass in den (bislang noch wenigen) Familien- und Paararrangements, in denen involvierte Vaterschaft mehr oder minder ausgeprägt praktiziert wird, neue Vergeschlechtlichungsprozesse stattfinden. Involvierte Vaterschaft erzeugt potenziell ein Spannungsfeld, in welchem neue, geschlechtlich konnotierte Konfliktlinien zwischen den Partnern entstehen können. Besteht zwischen den Partnern ein Konsens, dass die Mutter trotz des (in diesen Familien teilweise erheblichen) Engagements des Vaters die Definitionsmacht über die Standards „guter" Haus- und Familienarbeit behält, bleibt die tradierte geschlechtliche Konnotation der Familie als weibliche Domäne im Sinne eines stillschweigenden Konsenses aufrechterhalten. Stellt der Vater hingegen den Kompetenzvorsprung der Frau in Frage, kann dies zu einer neuen Form der Dramatisierung der Geschlechterdifferenz führen, indem ein „männlicher" Stil gegen einen „weiblichen" gesetzt wird. Die geschlechtliche Differenzierung (und Distinktion) verlagert sich in diesem Fall als ständig neu zu bewältigende (Aushandlungs-)Aufgabe in den Binnenraum der Familie.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2011): Die Entdeckung der „neuen Väter". Vaterschaftspraktiken, Geschlechtsnormen und Geschlechterkonflikte. In: Hahn, Kornelia/Koppetsch, Cornelia (Hrsg.): Soziologie des Privaten. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 71-82
Meuser, Michael