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Trümmerfrauen: Realität und Mythos

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2009 to 2013
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 111515409
 
Final Report Year 2012

Final Report Abstract

Im Rahmen des Forschungsprojektes konnte herausgearbeitet werden, dass die „Trümmerfrau“ erst im Zuge einer kollektiven Erinnerungsarbeit zu einem zentralen Element der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde. Damit muss zum einen das Bild der „Trümmerfrau“ im heutigen kollektiven Gedächtnis der Deutschen, das in historischen Darstellungen, in Schulbüchern, Film- und Fernsehdokumentationen sowie in Reden von Politikern beständig reproduziert wird, infrage gestellt werden. Zum anderen liefern die gewonnen Ergebnisse einen Beitrag zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Wiederaufbaus in der Folge des Zweiten Weltkrieges. Denn die Geschichte der Enttrümmerung, als Vorbedingung des materiellen Aufbaus nach 1945, stellte bislang ein Forschungsdesiderat dar. Anhand der Analyse von elf ausgewählten deutschen Städten konnte gezeigt werden, dass den Frauen eine nachgeordnete Rolle bei der Trümmerräumung zukam. Mit dem Beginn des Luftkrieges versuchten die Nationalsozialisten mit zentral gelenkten Maßnahmen der Trümmermassen in den deutschen Städten Herr zu werden. Zum Einsatz kamen neben Bauhandwerkern und Mitgliedern u. a. des Sicherheits- und Hilfsdienstes, des Reicharbeitsdienstes, der HJ und der Wehrmacht vor allem Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge, was die Trümmerräumung deutlich als Strafarbeit konnotierte. Diese Idee wurde in der Nachkriegszeit von den alliierten Militärregierungen und deutschen Stadtverwaltungen weiter fortgesetzt, denn jetzt wurden zu allererst ehemalige NSDAP-Mitglieder und deutsche Kriegsgefangene als Sühnemaßnahme zur Trümmerräumung eingesetzt. Davon abgesehen waren ab 1945 in erster Linie professionelle Firmen mit schwerem Gerät und Fachkräften die Träger der Enttrümmerung. Über die Initiierung von Bürgereinsätzen und Dienstverpflichtungen von Arbeitslosen wurde der Arbeitskräftemangel ausgeglichen. Wurde bei den Bürger- und Arbeitsloseneinsätze die Heranziehung von Frauen zur Trümmerräumung in der amerikanisch und französisch besetzen Zone in der Regel dezidiert abgelehnt, so wurden über diese Maßnahmen in der britisch besetzten Zone eine sehr geringe Zahl von Frauen zwischen 1945 und 1947 zur Trümmerräumung eingesetzt. Lediglich für Berlin und die Städte der SBZ lässt sich der Einsatz von – vor allem arbeitslosen – Frauen zur Enttrümmerung in einem größeren Umfang nachweisen. Es muss daher konstatiert werden, dass sich zwischen die Nachkriegsrealität bei der Trümmerräumung und dem heutigen Bild im kollektiven Gedächtnis ein Mythos geschoben hat. Ihren Ursprung hat die Legendenbildung um die „Trümmerfrau“ jedoch bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit. In regelrechten Medienkampagnen wurde in Berlin und der SBZ das Bild der heldenhaften „Trümmerfrauen“ entworfen, um für die Beteiligung von Frauen an der Trümmerräumung zu werben. An diese Berichterstattung wurde in der DDR in den 1950er Jahren nahtlos angeknüpft, denn dort avancierte die „Trümmerfrau“ schnell zu einer positiven Identifikationsfigur für den neuen sozialistischen Staat. In erinnerungspolitischen Akten und den dazugehörigen Medienberichten wurde sie zu einem Vorbild für die Gleichberechtigung der Frau und den Aufbau des Sozialismus. Dieses Bild der „Trümmerfrau“ blieb bis zur Wende nicht nur relativ stabil, es wurde auch beständig reproduziert. Anders in der BRD. Hier entwickelte sich die Erinnerung an die „Trümmerfrau“ in den 1950er Jahren zunächst diametral auseinander: In West-Berlin wurde sie zum positiven Symbol für den Wiederaufbau der Stadt. Dieses Bild wurde in der restlichen BRD jedoch kaum wahrgenommen. Dort galt die „Trümmerfrau“ hingegen als „arme Schwester“ im Osten, die zur Schwerstarbeit gezwungen wurde und war somit eine Negativfolie für die Frauenpolitik in der DDR. Da die „Trümmerfrau“ auch in den beiden folgenden Jahrzehnten in der öffentlichen Wahrnehmung kaum präsent war, wurde sie schließlich erst in den 1980er Jahren auch in der BRD zu einer Ikone für die Aufbauleitung nach dem Kriegsende. Entscheidend dafür waren die gesamtgesellschaftlichen Debatten, die durch die Einführung des „Babyjahres“ und die populärwissenschaftlichen Publikationen der Frauengeschichtsschreibung zur Rolle der Frau in der deutschen Nachkriegszeit ausgelöst wurden. In diesem Zuge wurde der Bedeutungsinhalt des Begriffes der „Trümmerfrau“ radikal erweitert, in dem er zum Generationenbegriff für all jene Frauen wurde, die die Nachkriegszeit als Erwachsene erlebt hatten. Und diese Frauen wurden weiterhin zu den Grundsteinlegerinnen des bundesrepublikanischen Wirtschaftswunders erklärt. Bis zur Wende 1989/90 hatten sich demnach in DDR und BRD auf sehr unterschiedliche Weise relativ kompatible Erinnerungsbilder an die „Trümmerfrau“ herausgebildet. Dies muss als Voraussetzung gelten, dass die „Trümmerfrau“ zu einem gesamtdeutschen Erinnerungsort werden konnte.

Publications

  • Die „Trümmerfrau“ im Blitzlichtgewitter. Bilder eines deutsch-deutschen Erinnerungsortes. – In: Engel, Ulf/Middell, Matthias/Troebst, Stefan (Hg.): Erinnerungskulturen in transnationaler Perspektive. Leipzig 2012 (= Transnationalisierung und Regionalisierung vom 18. Jh. bis zur Gegenwart, Bd. 5). S. 95 - 114
    Treber, Leonie
  • Reden über „Arbeit“. Das Bürgerliche Gesetzbuch und das Familiengesetzbuch der DDR. – In: Rückert, Joachim (Hg.): Arbeit und Recht seit 1800, Köln 2014, S. 59-78
    Schneider, Ute
 
 

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