Der hochmittelalterliche Landesausbau und die Entwicklung der Siedlungsstrukturen in Brandenburg
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Untersuchungen an mittelalterlichen Dörfern in Südbrandenburg lassen verschiedene übergreifende Erkenntnisse zu, die einerseits die Methodik der Forschung, andererseits die Siedlungsgeschichte der Region betreffen. Auf methodischer Seite machen besonders die Ergebnisse zu den unterschiedlichen Gründungsformen der Dörfer deutlich, dass Fragen zur Siedlungsgenese nur mit großflächigen archäologischen Untersuchungen verlässlich beantwortet werden können. Jedes Dorf ist einzeln zu bewerten, allgemeine Rückschlüsse auf die Dorfentwicklung können nur anhand großflächig gegrabener Dörfer verallgemeinernd dargestellt werden. Für das einzelne nicht komplett oder zumindest großflächig untersuchte Dorf sind sie u.U. nicht aussagekräftig. Rückschlüsse aus kleineren Teiluntersuchungen scheinen nicht zum Erfolg zu führen. Diese an sich auf den ersten Blick banal wirkende Erkenntnis muss sich offenbar in vielen Forschungsbereichen der Archäologie noch durchsetzen. Sie erleichtert die Erarbeitung übergreifender Ergebnisse natürlich nicht. Diese können nur mit höherem Aufwand gewonnen werden. Dieser Aufwand ist aber – wie die Projektergebnisse zeigen – in jedem Fall lohnend. Wenn in den archäologischen Bestand eingegriffen wird oder werden muss, sollte sowohl bei der Ausgrabung als auch bei der Auswertung der Dokumentation der entsprechende Aufwand getrieben werden, was allerdings eine ausreichende Projektfinanzierung voraussetzt. Beides war im Rahmen des Projektes gegeben. Siedlungsvorgänge anhand von historischen Quellen und besonders anhand der Verbreitung von Dorfformen, die auf der Basis frühneuzeitlicher Karten erarbeitet wurden, zu rekonstruieren scheint nicht mehr möglich – das hatte sich in den letzten Jahrzehnten bereits bei der Untersuchung von Stadtkernen angedeutet, für die durch die frühneuzeitlichen Stadtpläne eine vermeintlich bessere Quellenlage gegeben ist. Während Horno seine Form kaum geändert hat, ist das bei Diepensee, aber auch einigen der anderen Dörfer ganz anders. Ob es frühe, von der „Norm“ abweichende Dorfformen gab, ist nur durch großflächige archäologische Untersuchungen zu ermitteln. Für Regionen wie den Teltow ist dieses Ergebnis von besonderer Bedeutung, weil die Forschung bisher davon ausging, dass die Hochflächen im Rahmen der hochmittelalterlichen Ostsiedlung planmäßig mit großen regelmäßigen Dorfformen besiedelt wurden. Die geringe Siedlungsdichte auf dem Teltow und das geringe Wüstungsvorkommen könnten auch darauf zurückgeführt werden, dass dort in größerem Umfang bestehende slawische Siedlungsplätze beibehalten und in günstiger Siedlungslage genutzt wurden. Im Laufe des Mittelalters erfuhren die Siedlungen dann Strukturveränderungen wie das in Diepensee zu beobachten ist. Es wäre wünschenswert, auch andere vergleichbare Regionen in Brandenburg, wie etwa die Hochflächen des Barnim, der Zauche oder des Glin, auf die Vorgänge während des Landesausbaus genauer zu untersuchen. Besonders für den Barnim liegen gute Vorarbeiten vor, die sich jedoch nicht auf großflächige Grabungen, sondern auf die Funddatenbank des BLDAM (Objekte aus kleineren Grabungen, Baubeobachtungen etc.), einzelne Dendrodaten u.a. stützen. Es wäre interessant, diese Region mit den im Projekt untersuchten Gebieten zu vergleichen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Die Holzbauten von Diepensee (Brandenburg). Vielfalt im mittelalterlichen Hausbau einer ländlichen Siedlung. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 24. Paderborn 2012, 151-162
Blandine Wittkopp
(Siehe online unter https://doi.org/10.11588/dgamn.2012.1.17153) - Wertnetze und Wertverschiebungen im mittelalterlichen Dorf Diepensee. In: Franz X. Eder (Hrsg.): Kulturen des Ökonomischen: historisch-kulturwissenschaftliche Beiträge. Wien 2013, 167-195
Greta Civis
- Wirtschaftliche und soziale Strukturen der mittelalterlichen Wüstung Diepensee (Brandenburg). In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 25. Paderborn 2013, 127-142
Blandine Wittkopp
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.11588/dgamn.2013.1.17093) - Diepensee. Gründung, Umgestaltung und Wachstum einer ländlichen Siedlung im Mittelalter. In: Gründung im archäologischen Befund. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 27. Paderborn 2014, 161-170
Blandine Wittkopp
(Siehe online unter https://doi.org/10.11588/dgamn.2014.2.17032) - Dorfgründungen in der Lausitz. Horno und Klein Görigk im Focus. In: Gründung im archäologischen Befund. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 27. Paderborn 2014, 171-180
Jens Henker/ Kerstin Kirsch
(Siehe online unter https://doi.org/10.11588/dgamn.2014.2.17033) - Der Dorfkrug von Horno, Lkr. Spree-Neiße, Brandenburg. In: Donat Wehner (Hrsg.): Rasthäuser - Gasthäuser - Geschäftshäuser. Zur historischen Archäologie von Wirtshäusern. Bonn 2015, 143-146
Jens Henker/ Kerstin Kirsch