Griechisch-römische Marmorplastik aus Syrien
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Vorderen Orient fehlt es an Marmorvorkommen. Marmorne Skulpturen, die in zahlreichen Städten der Provinz Syria Aufstellung fanden, waren in ausgearbeiteter Gestalt oder unfertig (als Rohling oder Halbfabrikat) eingeführt worden. Die verwendeten Materialien stammten aus Griechenland und Kleinasien. Das Phänomen der Importe evoziert Fragen nach inhaltlichen Implikationen des Transfers und nach Bedeutungszuweisungen am neuen Ort. Dabei gilt es, der kulturellen Diversität des vorderasiatischen Raums Rechnung zu tragen. Notwendig müssen die Denkmäler innerhalb des Untersuchungsgebiets örtlich, zeitlich und thematisch gewichtet werden. Unter diesen Maßgaben ist ein Katalog erarbeitet worden, der in einer Vielzahl von Analysen die Skulpturen nach gegenständlichen, typologischen, ikonographischen und stilistischen Gesichtspunkten diskutiert und sie soweit wie möglich kontextualisiert. Marmorbildwerke existierten in phönizischen Küstenstädten mindestens seit der Spätarchaik. Von ihnen führt gleichwohl kein direkter Weg zu den Skulpturen, die nach einem längeren Hiat ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. wieder in Syrien anlangten. Zwei ganz verschiedene Umstände waren im Verbund relevant für diese neue Entwicklung: die Hochbewertung, die Marmor als Material im Hellenismus erfuhr, sowie die bereits bestehende politische und wirtschaftliche Kontaktsituation zwischen der Levante und dem Ägäisraum. Im späten Hellenismus und auch noch im 1. Jahrhundert n. Chr. entstandene Marmorskulpturen blieben in Syrien fast ausnahmslos auf die Küstenstädte und somit auf Poleis beschränkt, die ebenso in anderen Medien ihren griechischen Charakter unter Beweis zu stellen suchten. Inländische Städte rückten im folgenden Jahrhundert nach, als sie an der allgemeinen wirtschaftlichen Prosperität teilhatten. Ihre nunmehr üppigen statuarischen Ausstattungen standen in unmittelbarem Zusammenhang mit intensiven baulichen Aktivitäten. Insgesamt erweist sich die Zahl der Marmorskulpturen als unerwartet groß. Gegenüber der bis zum Beginn der Untersuchungen recherchierbaren Menge hat sie sich vervielfacht. Auffällig ist aber ein starkes Ungleichgewicht der Gattungen, indem Porträts nur eine geringe Rolle spielen. An offiziellen Bildnissen lassen sich für das 1. Jahrhundert n. Chr. aus dem gesamten Gebiet der Provinz maximal 3 erhaltene Beispiele ermitteln. Erst ab dem mittleren 2. Jahrhundert trat allgemein eine gewisse Dichte an Darstellungen von Kaisern und ihren Angehörigen ein. Da es aber auch in der Zeit davor an Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Kaiserhaus nicht gemangelt haben kann, ist an Ehrungen in anderen Formen und, was statuarische Repräsentationen betrifft, an Bronzen zu denken, wie es beispielsweise in Palmyra der Fall war. In nachseverischer Zeit wurden Marmorskulpturen gleich welchen Darstellungsgegenstands weniger, fanden trotzdem eine bemerkenswerte Fortsetzung bis in die Spätantike. Wie der Denkmälerbestand deutlich widerspiegelt, verfügten die idealen Skulpturen gegenständlich und typologisch über ein reiches Spektrum. Syrien stand mindestens ab antoninischer Zeit in keiner Weise hinter anderen Teilen des Reichs zurück. Die meisten idealen Statuen gehörten, soweit ihr Standort bekannt ist, zu repräsentativen öffentlichen Bauten und Villen. Welchen Anteil Kultstätten als Standort marmorner Skulpturen besaßen, entzieht sich dagegen der Recherche, da diese in hohem Maße späteren Zerstörungen anheimfielen. In einer Reihe von Fällen geben typologische, motivische und stilistische Merkmale eine lokale bzw. regionale Herstellung zu erkennen. Gleichwohl bleibt der quantitative Anteil der in Syrien ausgearbeiteten Skulpturen eine unwägbare Größe. Wichtiger auch als eine Werkstattbestimmung erscheint der Umstand, dass in Syrien griechische Bildsprache fortschreitend das Feld behauptete, selbst bei Darstellungen lokaler Gottheiten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Skulpturen aus den zehn griechischen Städten des Ostjordanlandes (Dekapolis) und deren Umfeld, in: Petra, Begleitbuch zur Ausstellung « Petra – Wunder der Wüste: Auf den Spuren von J.L. Burckhardt alias Scheich Ibrahim”, hrsg. von S. G. Schmid – E. van der Meijden (Basel 2012) 95-101
Thomas M. Weber
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Hygieia in Latakya, in: Polymatheia. Festschrift für Hartmut Matthäus anlässlich seines 65. Geburtstags, hrsg. von St. und R. Nawracala (Herzogenrath 2015) 265-276
Detlev Kreikenbom
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The Middle East, in: Oxford Handbook of Roman Sculpture, hrsg. von. E. A. Friedland – M. Grunow Sobocinski (New York 2015) 569-586
Thomas M. Weber mit E. Gazda
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Antakya’da “Dansa Davet”?: İki Heykel Başı Üzerine Düşünceler (“Aufforderung zum Tanz”? in Antiocheia), OLBA 24, 2016, 323-339
Mustafa Koçak
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Bir Büyük Iskender Daha/One More Alexander the Great, ART-SANAT 6/2016, 1-10
Mustafa Koçak
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Marble Sculptures from Tyre in European Collections, in: P.-L. Gatier - J. Aliquot - L. Nordiguian (Hrsg.), Sources de L‘Histoire de Tyr II (Beirut 2017) 53-78
Karl-Uwe Mahler
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Sahr al-Ledja I: J. Dentzer-Feydy – J.-M. Dentzer – F. Renel – A. Sartre-Fauriat, Le sanctuaire et l’agglomération à l’époque romaine, Recherches Syro-Européennes 1998–2008, Hauran IV. Bibliothèque Archéologique et Historique, Vol. 209, Beirut: Institut Français du Proche-Orient, 2017
Thomas M. Weber-Karyotakis - Jean-M. Dentzer (Hrsg.)
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The Great Eastern Baths at Gerasa/Jerash. Report on the second Excavation Campaign 2017, in: Annual of the Department of Antiquities of Jordan. S. 477-501
Thomas M. Weber-Karyotakis – Thomas Lepaon