Die wirtschaftlichen Folgen zentraler Lebensrisiken in Deutschland und den USA und ihre Entwicklung seit den achtziger Jahren
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt untersuchte die Frage, wie sich der deutsche und der amerikanische Wohlfahrtsstaat in den letzten 30 Jahren verändert hat, und ob diese Änderungen zu einer Verringerung der staatlichen Abfederung ökonomischer Risiken bei Eintritt einschneidender Lebensereignisse geführt hat. Insbesondere waren Antworten auf folgende Fragen gesucht: 1. Wie tiefgreifend hat der Eintritt zentraler Lebensrisiken im Laufe der letzten Jahrzehnte die Einkommenssituation von Haushalten in verschiedenen Soziallagen verändert? 2. Nimmt der Grad staatlicher Absicherung dieser Risiken ab? 3. Wie verändert sich die Ungleichheit der Risikoabsicherung? 4. Nähert sich die deutsche Situation zunehmend der Situation in den USA, oder persistieren hier vorrangig nationale Unterschiede? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die ökonomischen Effekte der Lebensereignisse „Arbeitsplatzverlust“, „Erwerbsaustritt im Alter“ und „Familientrennung“ für den Zeitraum von den frühen 80er Jahren bis heute ermittelt. Mit Hilfe dieser Analysen werden die Forschungsfragen des Projekts wie folgt beantwortet: Haben sich die Einkommenseinbußen von Haushalten, die von einem der angesprochenen Ereignis betroffen sind, im Zeitablauf verschlimmert? Die Antwort auf diese Frage hängt von dem untersuchten Lebensereignis ab. Hinsichtlich des Arbeitsplatzverlusts muss die Frage für für die U.S.A. verneint werden, während die Betroffenen in Deutschland tendenziell tatsächlich immer stärkere Einkommenseinbußen hinzunehmen haben. Für den Erwerbsaustritt im Alter zeigt sich die Verstärkung der Einkommenseinbußen in beiden Ländern, während die Entwicklung bei der Familientrennung keinem einheitlichem Trend folgt. Der Grad staatlicher Absicherung der Lebensereignisse hat sich vor allem hinsichtlich des Erwerbsaustritts im Alter zuungunsten der Betroffenen entwickelt, wenn auch stärker in den U.S.A. als in Deutschland. Für den Arbeitsplatzverlust zeigt sich eine solche Tendenz nur in den U.S.A. Die deutschen Hartz-Reformen haben möglicherweise dazu geführt, dass vom Arbeitsplatzverlust betroffene heute schneller wieder in Arbeit sind, ohne jedoch im Vergleich zu den Betroffenen früherer Jahre dadurch auch finanziell besser gestellt zu sein. Die Ungleichheit der Risikoabsicherung hat insbesondere beim freiwilligen Erwerbsaustritt im Alter in den U.S.A. zugenommen, wo immer mehr Bevölkerungsgruppen sehr große Einkommenseinbußen befürchten müssen. Ähnlicher geworden sind sich dagegen die Folgen einer Familientrennung zwischen amerikanischen Männern und Frauen. Allerdings ist diese Entwicklung nicht auf eine Verbesserung der Situation für Frauen zurückzuführen, sondern auf eine Verschlechterung bei den Männern. Für Deutschland und für den Arbeitsplatzverlust konnte keinen systematischen Veränderungen der Ungleichheit der Risikoabsicherung festgestellt werden. Die Möglichkeit einer Amerikanisierung des deutschen Wohlfahrtsstaats wird auf der Grundlage der Analyse der Ereignisfolgen zurückgewiesen. Zwar finden sich vereinzelte Befunde, die diese Richtung weisen, die Mehrzahl der Befunde spricht jedoch eher dafür, dass sich der amerikanische Wohlfahrtsstaat noch viel stärker als der deutsche „amerikanisierte“. Stellt man sich abschließend die Frage, welche der beiden Länder, Deutschland oder die USA, seine Bürger besser gegen die Risiken kritischer Lebensereignisse schützt, so lässt sich auch diese Frage nicht generell beantworten. Hinsichtlich des Arbeitsplatzverlustes waren es im Schnitt über die letzten 30 Jahre wohl die USA, bei den beiden anderen Ereignissen dagegen eher Deutschland. Vor allem aber war der Absicherungsgrad in den USA starken Schwankungen ausgesetzt, viel stärkeren als in Deutschland. Bei allen Lebensereignissen gab es Phasen, in denen Amerikaner besser oder zumindest gleich gut gegen Einkommensverluste gesichert waren wie Deutsche. Gleichzeitig gab es aber auch Phasen, in denen Amerikaner schlechter oder sogar viel schlechter abgesichert waren. Diese Phasen scheinen dabei weniger mit wohlfahrtsstaatlichen Reformen als durch ein komplexes Zusammenspiel konjunktureller und anderer historischer Bedingungen erklärbar zu sein. Ein Verdienst des deutschen Wohlfahrtsstaates ist es, seine Bürger von den Unwägbarkeiten der historischen Bedingungen, unter denen ihnen ein kritisches Lebensereignis widerfährt, weitgehend unabhängig gemacht zu haben.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2011. Arm, ärmer, am ärmsten Menschen mit niedrigem Einkommen steigen immer häufiger ab. WZB Mitteilungen (134): 7–9
Ehlert, Martin/Heisig, Jan-Paul
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2011. Economic Consequences of Family Break-Ups. Schmollers Jahrbuch, 2011, 131, 225-234
Radenacker, Anke
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2011. Männer klar im Vorteil. Frauen tragen bei einer Trennung weiterhin die finanzielle Hauptlast. WZB-Mitteilungen, 134: 10-12
Radenacker, Ange
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(2012), SOEPUSE: Stata module providing easy SOEP access
Kohler, Ulrich
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2012. Buffering income loss due to unemployment: Family and welfare state influences on income after job loss in the United States and western Germany. Social Science Research 41 (4): 843–860
Ehlert, Martin
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2012. Politik der Absicherung. Wie Deutschland und die USA ihre Bürger vor Verarmung schützen. WZB Mitteilungen, 135: 46-48
Kohler, Ulrich/Ehlert, Martin
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2012. Sozialpolitik in den USA. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer VS
Grell, Britta/Lammert, Christian
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2012. Verarmungsrisiken nach kritischen Lebensereignissen in Deutschland und den USA. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 64: 223-245
Kohler, Ulrich/Ehlert, Martin/Grell, Britta/Heisig, Jan-Paul/Radenacker, Anke/Wörz, Markus
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2013. Job loss among rich and poor in the United States and Germany: Who loses more income? Research in Social Stratification and Mobility 32: 85–103
Ehlert, Martin
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2013. PSIDUSE: Stata module providing easy PSID access
Kohler, Ulrich