Ost-West-Bilder im Dialog. D.A. Rovinskij: die Vermittlung der Bilder zwischen Russland und Europa
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt befasste sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der interkulturellen Kommunikation in den Bildern und identifizierte verschiedene Faktoren, die das gegenseitige Verständnis zwischen den Kulturen fördern bzw. behindern. Die sog. „Ikonische Wende“ – pictorial turn –, die ein neues Bildverständnis und eine neue analytische Herangehensweise an visuelle Kulturen initiiert hat, eröffnet die Möglichkeit, die Botschaften der Bilder im Diskurs sozialer und politischer Fragen zu betrachten und zugleich ihre Einwirkung auf das kollektive Gedächtnis zu diskutieren. Gegenstand des Projekts sind zum einen russische, zum anderen europäische Russlandbilder, Texte und Ikonographien (35 000 Stiche), die der russische Kulturhistoriker Dmitrij Rovinskij (1824-1895) gesammelt, kommentiert und ediert hat. Seine Sammlung gilt in Russland bis heute als „Denkmal für sein Volk“. Uns begegnen hier zwei Sichtweisen Russlands bzw. auf Russland, jene Europas im Sinne des westlichen Europa und jene Russlands. Das Ziel des Projekts bestand mithin darin, diese Bilder und ihre Vorlagen, aber auch die Texte von Rovinskij als eine Art der kulturellen Übersetzung zu vergleichen und jeweils im Kontext der jeweiligen Kultur zu analysieren. Als besonders gewinnbringend erwies sich der Analyseansatz, die Bilder unter dem Aspekt der Dichotomie eikon – imago – Tradition zu betrachten und so konkrete Unterschiede sowohl in der Art ihrer Darstellung als auch im Prozess ihrer Wahrnehmung aufzuzeigen. Die theoretisch gewonnenen Erkenntnisse konnten wir im Rahmen der von uns konzipierten und durchgeführten Ausstellung praktisch veranschaulichen und einem größeren Publikum nahebringen. In dieser Ausstellung wurden zum ersten Mal zwei visuelle Reihen einander gegenübergestellt, nämlich die russischen Blätter von I. Terebenev (1780-1815), mit denen in Russland die Geschichte der Karikatur begann und die Rovinskij ausführlich besprochen hat, sowie englische Karikaturen des berühmten George Cruikshank (1792-1878), die dieser exakt nach den Bildern Terebenevs kopiert und adaptiert hat. Zwei Gattungen stoßen hier aufeinander, die westeuropäische der Karikatur und die russische des Volksbilderbogens. Dabei hat sich gezeigt, dass die Wechselbeziehungen zwischen den Kulturen nur bedingt funktionieren, da jede Kultur allein das aufnimmt, was sich in ihr Wertesystem einfügt. Mit dem Sammelband „Ost-West-Bilder im Dialog“ mit Einzelbeiträgen von internationalen Wissenschaftlern, die anhand des Werks von Rovinskij aus verschiedenen Perspektiven die Aspekte der Vermittlung zwischen fremder und eigener Kultur beleuchten, hoffen wir, einen relevanten Beitrag zum Forschungsstand auf diesem Gebiet zu liefern.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Метаморфозы русского Сцеволы ( К вопросу о коммеморации народного героизма в Отечественной войне 1812 года). In: Zeitschrift für Slavische Philologie, Bd.71, Heft 1, Heidelberg 2015, S.73-93
I. Markov