Neuedition der Skaldendichtung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In den vorliegenden Bänden der Neuedition der Skaldischen Dichtung des skandinavischen Mittelalters ist es gelungen, Editionen zu erarbeiten, die zum einen den modernen Standards der Editionsphilologie entsprechen, zum anderen diesen sehr bedeutenden Teil der skandinavischen mittelalterlichen Literatur in Übersetzung und Kommentaren einem breiteren Publikum zugänglich machen. Das liegt zum Teil an der Wahl der englischen Sprache für Übersetzung, Einleitung und Kommentare, zum Teil auch an der sehr präzisen Übersetzung, die bisweilen bis an die Grenzen des sprachlich Möglichen geht. Die Editionen entstanden in kritischer Auseinandersetzung mit den vorliegenden Editionen und der Sekundärliteratur ca. eines Jahrhunderts (seit der Erstedition durch Finnur Jónsson 1912-15). Davon zeugen umfangreiche Kommentare zu einzelnen umstrittenen und schwierigen Strophen. Ein guter Teil der früheren Arbeiten musste dabei revidiert werden: So wurden z. B. Kombinationen von Strophen zu erschlossenen Gedichten (die meisten Gedichte sind als Einzelstrophen oftmals in unterschiedlichen Kontexten überliefert) wieder aufgelöst und die Strophen entweder als eigenständige Werke (Fragmente) ediert oder zu wahrscheinlicheren Gedichtformationen verbunden. Ebenso wurden manche problematischen Annahmen – z. B. über die komplexe Wort- und Satzstruktur der Strophen – ad acta gelegt und Interpretationen gefunden, die eher der natürlichen Wortfolge entsprachen. Hilfreich dabei waren insbesondere die sog. kenningar, bisweilen komplexe Umschreibungen, die traditionelle Muster variieren. Ihre Struktur war eine Art Wegweiser durch die Strophen, dessen Regeln eingehalten werden mussten. Deswegen werden in diesen Editionen die kenningar exakt übersetzt und entschlüsselt, was allerdings die Übersetzungen oftmals schwer lesbar macht. Die sorgfältige Sichtung der Handschriften, z. T. unter Einbeziehung bisher vernachlässigter Handschriften ergab u. U. neue Lesungen und Interpretationen. Ein wesentlicher neuer Gesichtspunkt war, dass der Editor die Strophen nicht durch die Kombination verschiedener Handschriften erstellen sollte, sondern möglichst einer Handschrift treu bleiben sollte, was u. U. zu neuen Interpretationen führte. Eine weitere Neuheit dieser Edition ist die Prämisse, Emendationen möglichst zu vermeiden. Auch diese Regel führte zu neuen Interpretationen. Eine besondere Neuheit sind die umfangreichen Kommentare. Sie erklären linguistische, metrische, lexikographische Besonderheiten des Strophentextes. Vor allem aber dienen sie der Interpretation der Strophen unter Einbeziehung der wissenschaftlichen Tradition und in Auseinandersetzung mit ihr. Ein absolutes Novum in einer Edition skaldischer Dichtung ist die Aufnahme der in Runen tradierten Dichtung. Eine steigende Zahl von Funden mit metrischen Inschriften, insbesondere in Norwegen, lenkte den Blick auf diese Tradition, deren Textzeugen häufig älter sind als die Handschriften der Skaldik. Da es metrische Inschriften nicht nur in Norwegen gibt, sondern auch in Schweden und Dänemark kam ein stattliches Corpus von metrischen Runeninschriften zusammen. Strophen im skaldischen Metrum Dróttkvætt in Inschriften sind zwar überliefert, aber vor allem in Schweden und Dänemark selten, dort wird in erster Linie das traditionelle Metrum Fornyrðislag benützt. Gewiss, es mag ungewöhnlich erscheinen, hier von „Skaldischer“ Dichtung zu sprechen, und man muss gewiss den Begriff über die Grenzen der Dichtung für Fürstenhöfe weiten, um all das integrieren zu können. Das trifft aber auch auf andere Bereiche des Dichtungscorpus der Edition zu.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Der „Mächtige Nachkomme“. In: Heizmann, Wilhelm / Böldl, Klaus / Beck, Heinrich (Hrsg.): Analecta Septentrionalia. Beiträge zur nordgermanischen Kultur- und Literaturgeschichte. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 65, S. 745–777. Berlin/New York: De Gruyter
Marold, Edith
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110218701.3.745) - Vers oder nicht Vers? Zum metrischen Charakter von Runeninschriften im älteren Futhark. In: Futhark: International Journal of Runic Studies 2, S. 63–102
Marold, Edith
- Entgegnung zu Bernard Mees: Early Runic Metrics: A Linguistic Approach. In: Futhark: International Journal of Runic Studies 3, S. 119–123
Marold, Edith
- Þjóðólfr ór Hvini: Ynglingatal; Þorbjǫrn hornklofi: Glymdrápa; Einarr skálaglamm Helgason: Hákonardrápa; Einarr skálaglamm Helgason: Vellekla. In: Whaley, Diana (Hrsg.): Poetry from the Kings’ Sagas 1: From Mythical Times to c. 1035. Skaldic Poetry of the Scandinavian Middle Ages I, S. 3–60, 73–91, 279–280, 280–329. Turnhout: Brepols
Marold, Edith unter Mitarbeit von Busch, Vivian / Krüger, Jana / Kyas, Ann-Dörte / Seidel, Katharina, ins Englische übersetzt von Foulks, John
- Snorri und die Skaldik. In: Beck, Heinrich / Heizmann, Wilhelm / Nahl, Jan Alexander van (Hrsg.): Snorri Sturluson – Historiker, Dichter, Politiker. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 85, S. 217–233. Berlin/Boston: De Gruyter
Marold, Edith
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110336313.217) - 2016. The Metrical Characteristics of Maeshowe Runic Inscription No. 20. In: Futhark: International Journal of Runic Studies 7, S. 111–125
Krüger, Jana / Busch, Vivian
- Ironische Kenningar. In: Krüger, Jana et al. (Hrsg.): Die Faszination des Verborgenen und seine Entschlüsselung – Rāði sāʀ kunni. Beiträge zur Runologie, skandinavistischen Mediävistik und germanischen Sprachwissenschaft. Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 101, S. 233–242. Berlin/Boston: De Gruyter
Krüger, Jana
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110548136-017) - Mythical and Metaphorical Landscapes in Skaldic Poetry. In: European Journal of Scandinavian Studies 47, S. 218–237
Marold, Edith
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/ejss-2017-0012) - Poetry from Treatises on Poetics. Skaldic Poetry of the Scandinavian Middle Ages III. Turnhout: Brepols
Gade, Kari Ellen / Marold, Edith (Hrsg.)
- Í eino briósti ec sác aldregi fleiri forna stafi. Der Begriff stafr in der eddischen Dichtung und den metrischen Runeninschriften. In: Krüger, Jana et al. (Hrsg.): Die Faszination des Verborgenen und seine Entschlüsselung – Rāði sāʀ kunni. Beiträge zur Runologie, skandinavistischen Mediävistik und germanischen Sprachwissenschaft. Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 101, S. 53–64. Berlin/Boston: De Gruyter
Busch, Vivian
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110548136-005) - Die Bronzefibel von Skabersjö: In: Bauer, Alessia / Pesch, Alexandra (Hrsg.): Hvanndalir: Beiträge zur europäischen Altertumskunde und mediävistischen Literaturwissenschaft. Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 106, S. 585–597. Berlin/Boston: De Gruyter
Marold, Edith
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110569483-030)