Der Bereich kommerzieller Koordinierung in der DDR und die Ausnutzung der westeuropäischen Integration
Zusammenfassung der Projektergebnisse
„Warum gab es KoKo" könnte als zunächst offensichtliche, dann aber doch schwer zu beantwortende Frage über dem Forschungsvorhaben stehen. Angesichts des großen Volumens völlig legaler Geschäfte, die von KoKo-Unternehmen realisiert wurden, ist zu fragen, warum diese nicht von den anderen Unternehmen des geplanten Außenhandels der DDR mit übernommen wurden. Auch diese Außenhandelsbetriebe mussten im Westhandel Marketing betreiben, um DDR-Produkte abzusetzen oder westliche Waren zu günstigen Preisen zu erwerben. Bei den Kompensationsvorhaben traten sie in vielen Fällen als offizielle Vertragspartner auf und wickelten Bezüge und Gegenlieferungen ab. Im Müllgeschäft wurde gar der Betrieb des geplanten Außenhandels der DDR als Vertragspartner der westlichen Firmen durch ein KoKo-Unternehmen abgelöst. KoKo hätte demnach seine Aktivitäten durchaus auf die eher heiklen Geschäfte konzentrieren können, die eine besondere Vertraulichkeit (z.B. Häftlingsfreikauf) oder Dringlichkeit (z.B. im Rahmen der Bewältigung der Kreditkrise vom Beginn der 1980er Jahre) erforderten. Das würde auch rechtfertigen, das gängige Bild von KoKo in der öffentlichen Meinung als eher skandalumwittertes Unternehmen zu wahren. Das „Überraschende" an KoKo ist die in weiten Teilen der Aktivitäten vorzufindende Normalität der Geschäfte. Das jedoch lässt ein weiteres Bild von KoKo, das der wichtigen Devisenbeschafferin, in einem differenzierten Licht erscheinen. Indem KoKo auch bei ihrer Beteiligung an den beiden Modernisierungsschüben in der DDR-Volkswirtschaft in den 1970er und 1980er Jahren letzten Endes nicht verhindern konnte, dass die DDR mit ihren eigenen Erzeugnissen zunehmend an Konkurrenzfähigkeit verlor, trug sie ihren Teil zum Niedergang der DDR als Volkswirtschaft und Staat bei. War das Land zwar 1989 nicht wirklich „pleite", so deuten doch die Planungen von KoKo-Verantwortlichen für den DDR-Außenhandel zu Beginn der 1990er Jahre an, dass das Land erneut vor einer schweren Zahlungskrise stand. Bis 1994 hätte KoKo nahezu alle Devisenreserven der DDR aktivieren müssen, um ihre Zahlungsfähigkeit zu bewahren. Dabei wären Exportüberschüsse im Westhandel zu erwirtschaften gewesen, die schon zu Beginn der 1980er Jahre - bei der Lösung der damaligen Kreditkrise - nicht erreicht worden waren. Ferdinand Knaus: „Honeckers Menschenhandel", in: Handelsblatt vom 5. Dezember 2007 Sylvia Westall, „Study finds captives traded for oil in former East Germany", in: Reuters UK vom 14. Dezember 2007 (ähnlich, von gleicher Autorin in "The Sydney Morning Herold" vom 15. Dezember 2007).
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Häftlinge für Bananen? Der Freikauf politischer Gefangener aus der DDR und das ,Honecker-Konto'", in: Vierteljahreshefte für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 94. Bd., Heft 4 (2007), S. 417-439
Matthias Judt
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„Kompensationsgeschäfte der DDR - Instrumente einer europäischen Ost-West-Wirtschaftsintegration?", in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2008/2, S. 117-138
Matthias Judt
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Schalcks KoKo. Mythos und Realität des Bereichs Kommerzielle Koordinierung, in: Klaus Dietmar Henke (Hg.), Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte, München 2009, S. 307-315
Matthias Judt
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Der Bereich Kommerzielle Koordinierung. Das DDR-Wirtschaftsimperium des Alexander Schalck-Golodkowski - Mythos und Realität, 2013, Ch. Links Verlag Berlin
Matthias Judt