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Paradoxe Zustände in der Starrkörperdynamik unter Einfluss Coulombscher Reibkräfte

Fachliche Zuordnung Mechanik
Förderung Förderung von 2009 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 117923794
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt befasst sich mit der Behandlung des PAINLEVESchen Paradoxons in der modernen Mehrkörperdynamik. Das von Paul PAINLEVE 1895 publizierte dynamische Problem beschreibt die Unverträglichkeit des empirischen Reibgesetzes nach COULOMB mit der axiomatischen Annahme starrer Körper sowie der Stetigkeit der Zustandsgrößen bei endlichen eingeprägten Kräften. Für beliebige Starrkörpersysteme mit rauhen Kontakten existiert ein kritischer Reibbeiwert, für den paradoxe Situationen im Sinne PAINLEVES auftreten können. Dann sind Existenz und Eindeutigkeit der Lösungen der Bewegungsdifferentialgleichungen nicht mehr gewährleistet. Ursache des Paradoxons ist nicht die nichtlineare Abhängigkeit von der Relativgeschwindigkeit sondern die nichtlineare Abhängigkeit von der Normalkraft. Ziel der Arbeit ist es, physikalisch korrekte Methoden zu entwickeln, um besonders in automatisierten Mehrkörperalgorithmen mit paradoxen Situationen umgehen zu können. Dazu wird die Aufgabe der Annahmen coulombsche Reibung, Starrkörperhypothese und Stetigkeit der Zustandsgrößen diskutiert. Es zeigt sich, daß es keine physikalisch sinnvollen Reibgesetze gibt, die den paradoxen Zustand auflösen. Bei Verwendung von elastischen Kontakten ergeben sich hochfrequente Schwingungen in Normalenrichtung, die für paradoxe Zustände aufklingen werden und durch die Reibkopplung das System am rauhen Kontakt in die Selbsthemmung überführen. Daneben existiert durch eine Verzweigung eine harmonische Lösung, die auch in die Selbsthemmung führt. Bei Aufgabe der Stetigkeitsanforderung ergibt sich ein Tangentialstoß, der das System aus dem paradoxen Zustand in die Selbsthemmung überführt. Da der Stoß rein plastisch sein muß, um das System in den Ruhezustand zu überführen, besteht nicht die Gefahr energetischer Inkonsistenz. Der Stoß ist unabhängig von Materialeigenschaften. Neben der physikalisch konsistenten Formulierung werden Algorithmen zur Detektion von paradoxen Zuständen entwickelt. Dies geschieht für abschnittsweise lineare Systeme mit den Methoden der linearen Algebra. Da sowohl Nicht-Existenz als auch Mehrdeutigkeit auftreten können, allerdings nur Nicht-Existenz mit einem Rangabfall einer charakteristischen Matrix einhergeht, müssen a priori alle möglichen Kombinationen von Richtung der Normalkraft und Richtung der Relativgeschwindigkeit an jedem Kontakt untersucht werden. Es ergibt sich daraus ein kritischer Reibbeiwert für einen Kontakt, in Abhängigkeit der Reibbeiwerte aller anderen Kontakte des Systems. Am Beispiel des kommerziell verwendeten KANEschen Algorithmus wird ein rein linearer Algorithmus entwickelt, der bei jedem Integrationsschritt a posteriori ausgeführt werden kann, um paradoxe Zustände zu detektieren. In weiterführenden Untersuchungen des PAINLEvischen Paradoxons hat sich gezeigt, dass es von Vorteil sein kann, wenn die Systemdynamik in einer von den Zwangskräften unabhängigen Form vorliegt. Die Untersuchung der Versagensfälle lässt sich dadurch auf die Untersuchung der Lösungen einer imliziten algebraischen Gleichung zurückführen. Dabei wurde aufgezeigt, dass die Regularisierung des colombschen Reibgesetzes das Paradoxon nur lokal auflöst, aber im Allgemeinen bestehen bleibt. Darüber hinaus wurde anhand eines modifizierten PAINLEVE-KLEIN Apparates die Erreichbarkeit paradoxer Zustände analysiert. Es wurde gezeigt, dass man im Gegensatz zum klassischen PAINLEVE-KLEIN Apparat, ausgehend von sinnvollen Systemzuständen paradoxe Zustände erreichen kann. Durch den im Laufe dieses Projektes entwickelten Identifikationsalgorithmus für paradoxe Situationen könnten diese in Simulationsprogrammen auch in komplexen Modellen verlässlich erkannt werden. Dadurch kann die Zuverlässigkeit der Programme deutlich verbessert werden. Eine entsprechende Detektion von paradoxen Zuständen ist derzeit in den bekannten Simulationsprogrammen nicht enthalten. Neben der Implementierung ist die Optimierung hinsichtlich des jeweiligen Zielprogrammpakets als weitere fortführende Arbeit denkbar, um eine sowohl zuverlässige als auch performante Identifikation der Problemsituationen bereitzustellen. Darüber hinaus ist es denkbar, ausgehend von einer Systembeschreibung frei von Zwangskräften, eine alternative Detektionsmöglichkeit für paradoxe Situationen zu entwickeln und diese auf ihre Leistungsfähigkeit hin zu analysieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • On the extension of Brommundt's solution to the Painlevé paradox, GAMM Zürich, Jul. 2007
    Fischer, F.
  • Painlevé and Coulomb revisited, Virginia Polytechnic Institute and State University (Virginia Tech), Jun. 2008
    Fischer, F.
  • Behandlung des Painlevéschen Paradoxons in der modernen Mehrkörperdynamik, Dissertation, Shaker Verlag 2009
    Fischer, F.
  • Rigid bodies and dry friction, University of California, Berkeley, Aug. 2009
    Fischer, F.
  • Zu Problemen mit paradoxen Zuständen in der Starrkörpermechanik, IDS Hannover, Jan. 2009
    Fischer, F.
  • On a non-holonomic version of an oscillatory Painlevé-Klein apparatus, DSTA Łódź, 2011
    Wagner, A., Heffel, E., Arrieta, A. F., Spelsberg-Korspeter, G., Hagedorn, P.
  • On the dynamics of an oscillatory Painlevé-Klein apparatus, DSTA Łódź, 2011
    Heffel, E., Wagner, A., Arrieta, A. F., Fischer, F., Spelsberg-Korspeter, G., Hagedorn, R
 
 

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