Untersuchung des programmatischen Wirkens von Otto Bartning nach 1945 auf Grundlage seines persönlichen Nachlasses an der TU Darmstadt
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Auf Grund der Archivierungs-, Recherche- und Sammelarbeiten der Antragstellerin wurde eine wohl einmalige Sammlung von Materialien und Informationen zu Leben und Werk von Otto Bartning zusammengestellt. Diese umfasst Archivalien, Bücher, Zeitschriften, Bild- und Tondokumente bis hin zu audiovisuellen Medien. Es fand laufend eine Inventarisierung der Materialien des Nachlasses von Otto Bartning in einer Datenbank statt, die nun die Recherche und den gezielten Zugriff auf die gesamten Materialien des Nachlasses sowohl für die akademische Forschung als auch für die breitere Öffentlichkeit ermöglicht. Durch die wissenschaftliche Auswertung der so gesammelten Informationen konnte das Projekt erstmals das überraschend breite Spektrum von Bartnings Tätigkeiten aufzeigen. Neben seinem großteils bekannten Wirken als Architekt mit reichhaltigem Oeuvre konzentrierten sich die Untersuchungen dabei vor allem auf Bartnings Rolle als maßgeblicher Moderator, Organisator, Ideengeber, und Schrittmacher der gesellschaftlichen Diskussionen, und zwar nicht nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch in den vorherigen Zeitabschnitten. Die Kernthemen dieses intellektuellen Engagements (Bauen als Ausdruck des Lebens, geistige Sachlichkeit, Versöhnung von Tradition und Moderne) hatten sich im Lauf des Werdegangs Bartnings in Karlsruhe, Berlin, Weimar, Heidelberg und Darmstadt herausgebildet und wurden schließlich im Lauf der Nachkriegszeit wirkmächtig. Sie prägten die gesellschaftliche Diskussion der jungen Bundesrepublik zur Aufgabe und Bedeutung von Architektur und der Verantwortung des Architekten in der Gesellschaft sowie der geistigen und praktischen Aspekte des Wiederaufbaus in erheblichem Maße. Praktischen Ausdruck fanden diese Leitsätze beispielsweise in den Überlegungen Bartnings zum zeitgenössischen protestantischen Kirchenbau und seiner praktischen Umsetzung (z.B. Notkirchenprogramm und Qualität von sakralen Räumen), aber auch im Rahmen von Bartnings vielfältigen Tätigkeiten im Städtebau und Siedlungswesen. Bedeutsam für diese Wirkmächtigkeit waren dabei Bartnings vielfältige Positionen in Verbänden und Vereinigungen, in verschiedenen Preisgerichten und Jurys, sowie nicht zuletzt auch als Organisator bei verschiedenen großen und komplexen Aufgaben des Wiederaufbaus (Hansaviertel Berlin, Helgoland). Darüber hinaus spielte Bartnings ungeheuer weit verzweigtes interdisziplinäres Netzwerk eine wichtige Rolle. Im vorliegenden Forschungsprojekt gelang es, diese biographischen und organisatorischen Querbezüge erstmals umfassend zu erschließen und zugleich Bartnings Tätigkeiten im Rahmen dieser verschiedenen Foren an seine über lange Zeit entwickelten programmatischen Grundsätze rückzubinden. Diese umfassenden Ergebnisse des Projektes werden Anstoß zu weiteren Forschungsprojekten geben. Auf Grundlage der im Forschungsprojekt skizzierten Chronologie und Systematik erarbeitete die Antragstellerin das Konzept einer Ausstellung zu Leben und Werk von Otto Bartning, die 2017 in Berlin, Karlsruhe und Darmstadt gezeigt werden wird. Das Forschungsprojekt wird so auch über die engere fachliche Diskussion hinaus breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit finden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- „An meinem Schreibtisch hatte Gropius mit mir den Lehrplan eines Bauhauses aufgestellt." Otto Bartning als Organisator und Ideengeber, in: Zeitschrift der GAGF und der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heft 1, 23. Jg., 2009, S. 30-36
Sandra Wagner-Conzelmann
- Die Suche nach dem angemessenen Stil. Otto Bartnings Entwicklung der „ausdrucksvollen Sachlichkeit", in: Hans Körner/ Jürgen Wiener (Hg.): Liturgie als Bauherr? Moderner Kirchenbau in Deutschland, Düsseldorf, 2010, S. 183-190
Sandra Wagner-Conzelmann
- Die Modelle der Sternkirche von Otto Bartning, in: Oliver Elser/ Peter Cachola Schmal (Hg.): Das Architekturmodell, Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, 2012, S. 38-44
Sandra Wagner-Conzelmann
- Otto Bartning- Forward Thinker and Protagonist of Rebuilding after 1945, in: Stephanie Herold/ Biljana Stefanovska (Ed.): 45+ Post-War Modern Architecture in Europe, Universitätsverlag der Technischen Universität Berlin, 2012, S. 131-140
Sandra Wagner-Conzelmann
- Otto Bartning (1883–1959). In: Jessica Hänsel, Jörg Haspel, Christiane Salbe, Kerstin Wittmann-Englert (Hrsg.): Baumeister, Ingenieure, Gartenarchitekten. Historische Kommission zu Berlin, Berlin 2016, S. 319–341
Sandra Wagner-Conzelmann