Außenseiter und Etablierte zugleich: Palästinenser und Israelis in unterschiedlichen Figurationen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Unser Forschungsprojekt zielte auf die Untersuchung der sozialen Beziehungen und Interaktionsdynamiken zwischen Mitgliedern verschiedener sozialer Gruppierungen im Westjordanland und in Israel, die in einem Verhältnis von gegenseitigen obwohl zumeist ungleichen Abhängigkeiten zueinander stehen. Der Akzent lag dabei auf der Perspektive und den Erfahrungen von PalästinenserInnen als Mitglieder verschiedener Gruppierungen und lokaler Gruppenkonstellationen. Insbesondere in den von uns geführten Gesprächen im Westjordanland – in schwächerer und anderer Ausformulierung in Israel – wurde von den PalästinenserInnen ein sehr homogenisierendes und auch harmonisierendes kollektives Selbst- und Fremdbild gezeichnet und versucht, die Risse in diesem Bild, in dem es keine ‚Differenzen‘ zwischen den verschiedenen Gruppierungen von PalästinenserInnen geben soll, argumentativ zu überdecken. Während wir feststellen konnten, dass PalästinenserInnen im Westjordanland den Versuch unternehmen, auch sich selbst gegenüber bzw. im Innenverhältnis der Gruppierung dieses Wir-Bild einer konfliktfreien Einheit und der Abschwächung bis hin zur Leugnung von spannungsgeladenen Konfliktlinien zwischen verschiedenen Gruppierungen aufrechtzuerhalten, deutete sich in unseren Interviews in Israel an, dass die palästinensischen Israelis (inklusive der Drusen und Beduinen) dieses Bild insbesondere gegenüber den jüdischen Israelis oder auch den VertreterInnen der sogenannten westlichen Welt präsentieren. Sie vertreten zwar ein homogenisierendes Bild über die PalästinenserInnen im Westjordanland, benennen jedoch Differenzen in der Gruppierung der israelischen PalästinenserInnen. Relativ schnell wurde bei unseren Interviews deutlich, dass insbesondere Menschen, die sich in ihrer Lebenswelt in einer mehrfachen Außenseiterposition befinden, dieses Wir-Bild kaum bedienen und viel stärker über Konflikte zwischen verschiedenen Gruppierungen berichten. Daher konzentrierten wir uns in der zweiten Förderperiode verstärkt auf Interviews mit Personen, die sich in einer mehrfachen Außenseiterposition befinden. Diese Interviews halfen uns dabei, die Brüche in dem harmonisierenden Wir-Bild und die Konfliktlinien zwischen verschiedenen Gruppierungen und vor allem auch die je individuelle und vom kollektiven Gedächtnis abweichende Geschichte von Angehörigen verschiedener Gruppierungen zu rekonstruieren. Um dem empirischen Befund der Untersuchung in der ersten Periode über die ausgesprochen deutlichen Unterschiede in den ungleichen Machtchancen und Wir-Ihr-Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppierungen nach administrativer Region oder geopolitischer Position gerecht zu werden, konzentrierte sich die qualitative Forschung auch in der zweiten Phase in den drei Regionen Westjordanland, Israel und Ostjerusalem auf die städtischen Räume Haifa, Jaffa, Ramallah, Bethlehem und Ostjerusalem (insbesondere auf die Altstadt) und ging vor allem auch gezielt weiteren Figurationen und ungleichen Machtchancen – wie z.B. zwischen im Westjordanland lebenden Altansässigen und den Bewohnern von Flüchtlingslagern oder zwischen Angehörigen verschiedener historischer Generationen – nach. Das von Shifra Sagy geleitete Team setzte standardisierte Fragebögen ein, um der Frage nach der Beziehung zwischen muslimischen und christlichen PalästinenserInnen sowie zwischen PalästinenserInnen aus Israel und aus dem Westjordanland nachzugehen. In diesen beiden quantitativen Studien zeigten sich ebenfalls die Brüchigkeit des harmonisierenden Wir-Bildes und die Konfliktlinien zwischen den verschiedenen Gruppierungen von Palästinensern deutlich. Des Weiteren erforschten wir verschiedene Gruppierungen innerhalb der israelisch-jüdischen Bevölkerung. Mit Hilfe von Fokusgruppen und einer Fragebogenuntersuchung wurden zwei Gruppierungen befragt, die in einem konflikthaften Verhältnis zueinander stehen und zwar ‚nationalreligiöse‘ und ultraorthodoxe Israelis. Wie auch in den Interviews zeigte sich bei den Nationalreligiösen ein homogenisierendes Sie-Bild über die so genannten Araber. Bei den Ultraorthodoxen war dagegen der Bedarf zu einer Abgrenzung von diesen recht fremden ‚Anderen‘ nicht so stark wie gegenüber Gruppierungen, die das Selbst- und das Wir-Bild der eigenen Gruppierung herausfordern – z.B. die Nationalreligiösen –, die für die einzelnen Mitglieder akzeptable Zugehörigkeitsangebote jenseits der eigenen Gruppierung bieten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2012): Erzählungen aus Jaffa. Narrationstheorie und Triangulation in kulturvergleichenden Analysen. ZQF Schwerpunktheft „Kulturvergleichende qualitative Forschung“ 13(1-2), 151-172
Wundrak, R.
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(2012): Methodische Herausforderungen interkultureller Studien. Mehrfach verschränkte Figurationen von Etablierten und Außenseitern im Westjordanland. ZQF Schwerpunktheft „Kulturvergleichende qualitative Forschung“ 13(1-2), 125- 150
Rosenthal, G.
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(2012): Perceptions of collective narratives and identity strategies: The case of Palestinian Muslims and Christians in Israel. Mind and Society 11(2), 165-182
Mana, A./ Sagy, S./ Srour, A./ Mjally-Knani, S.
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(2013): Biographische Fallrekonstruktionen: Zur Rekonstruktion der Verflechtung „individueller“ Erfahrung, biographischer Verläufe, Selbstpräsentationen und „kollektiver“ Diskurse; PalästinenserInnen als RepräsentantInnen ihrer Wir-Bilder. sozialer sinn 14(2), 157-184
Hinrichsen, H./ Rosenthal, G./ Worm, A.
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(2013): Collective narratives as indicators of examining intergroup relations: The case of Palestinian Muslims and Christians in Israel. International Journal of Conflict Management 24(3), 231-244
Srour, A./ Sagy, S./ Mana, A./ Mjally-Knani, S.
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(2013): Israelis and Palestinians: Contested narratives. Israel Studies 18(2), 53-69
Dajani Daoudi, M. S./ Barakat, Z. M.
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(2013): Old men's truth: The ‚poverty generation’ of neighborhood men talk about life in Jerusalem's Old City. Middle East Journal of Culture and Communication 6(3), 264-285
Becker, J.
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(2015): Die Materialität des Erzählens. Die Bedeutung von Dingen und Körpern in einem biographischen Interview. Ein Beispiel aus Jaffa (Israel). Österreichische Zeitschrift für Soziologie 40(4), 355-371
Wundrak, R.
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(2015): Etablierte und Außenseiter zugleich. Selbst- und Fremdbilder in den palästinensischen Communities im Westjordanland und in Israel. Frankfurt a.M./New York: Campus
Rosenthal, G. (Hg.)
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(2015): On both sides of the fence: Perceptions of collective narratives and identity strategies among Palestinians in Israel and in the West Bank. Mind and Society 14(1), 57-83
Mana, A./ Sagy, S./ Srour, A./ Mjally-Knani, S.
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(2015): The social construction of individual and collective memory. In: Sebald, G./ Wagle, J. (Hg.): Theorizing social memories: Concepts, temporality, functions. London: Routledge, 32-55
Rosenthal, G.
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(2015): Zur interaktiven und kollektiven (Selbst-)Vergewisserung eines brüchig werdenden Wir-Bildes: „Wir Christen in Palästina haben keine Konflikte mit den Muslimen!“ In: Griffith, S. H./ Grebenstein, S. (Hg.): Festschrift für Martin Tamcke: Christsein in der islamischen Welt. Wiesbaden: Harrassowitz, 567-586
Rosenthal, G./ Hinrichsen, H./ Becker, J.
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Perceptions of collective narratives among Arab and Jewish adolescents in Israel: A decade of intractable conflict. In: Sharvit K., Halperin E. (eds) A Social Psychology Perspective on The Israeli-Palestinian Conflict. Peace Psychology Book Series. Springer, Cham, 2016, pp 77-96
Srour, A./Mana, A./ Sagy, S.
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Biographie als Praxis-Diskurs-Formation. Eine praxeologische Perspektive auf lebensgeschichtliche Interviews. In: Alber I., Griese B., Schiebel M. (eds) Biografieforschung als Praxis der Triangulation. Springer VS, Wiesbaden, 2018, S. 83-104
Wundrak, R.