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Außenseiter und Etablierte zugleich: Palästinenser und Israelis in unterschiedlichen Figurationen

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2009 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 122859927
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Unser Forschungsprojekt zielte auf die Untersuchung der sozialen Beziehungen und Interaktionsdynamiken zwischen Mitgliedern verschiedener sozialer Gruppierungen im Westjordanland und in Israel, die in einem Verhältnis von gegenseitigen obwohl zumeist ungleichen Abhängigkeiten zueinander stehen. Der Akzent lag dabei auf der Perspektive und den Erfahrungen von PalästinenserInnen als Mitglieder verschiedener Gruppierungen und lokaler Gruppenkonstellationen. Insbesondere in den von uns geführten Gesprächen im Westjordanland – in schwächerer und anderer Ausformulierung in Israel – wurde von den PalästinenserInnen ein sehr homogenisierendes und auch harmonisierendes kollektives Selbst- und Fremdbild gezeichnet und versucht, die Risse in diesem Bild, in dem es keine ‚Differenzen‘ zwischen den verschiedenen Gruppierungen von PalästinenserInnen geben soll, argumentativ zu überdecken. Während wir feststellen konnten, dass PalästinenserInnen im Westjordanland den Versuch unternehmen, auch sich selbst gegenüber bzw. im Innenverhältnis der Gruppierung dieses Wir-Bild einer konfliktfreien Einheit und der Abschwächung bis hin zur Leugnung von spannungsgeladenen Konfliktlinien zwischen verschiedenen Gruppierungen aufrechtzuerhalten, deutete sich in unseren Interviews in Israel an, dass die palästinensischen Israelis (inklusive der Drusen und Beduinen) dieses Bild insbesondere gegenüber den jüdischen Israelis oder auch den VertreterInnen der sogenannten westlichen Welt präsentieren. Sie vertreten zwar ein homogenisierendes Bild über die PalästinenserInnen im Westjordanland, benennen jedoch Differenzen in der Gruppierung der israelischen PalästinenserInnen. Relativ schnell wurde bei unseren Interviews deutlich, dass insbesondere Menschen, die sich in ihrer Lebenswelt in einer mehrfachen Außenseiterposition befinden, dieses Wir-Bild kaum bedienen und viel stärker über Konflikte zwischen verschiedenen Gruppierungen berichten. Daher konzentrierten wir uns in der zweiten Förderperiode verstärkt auf Interviews mit Personen, die sich in einer mehrfachen Außenseiterposition befinden. Diese Interviews halfen uns dabei, die Brüche in dem harmonisierenden Wir-Bild und die Konfliktlinien zwischen verschiedenen Gruppierungen und vor allem auch die je individuelle und vom kollektiven Gedächtnis abweichende Geschichte von Angehörigen verschiedener Gruppierungen zu rekonstruieren. Um dem empirischen Befund der Untersuchung in der ersten Periode über die ausgesprochen deutlichen Unterschiede in den ungleichen Machtchancen und Wir-Ihr-Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppierungen nach administrativer Region oder geopolitischer Position gerecht zu werden, konzentrierte sich die qualitative Forschung auch in der zweiten Phase in den drei Regionen Westjordanland, Israel und Ostjerusalem auf die städtischen Räume Haifa, Jaffa, Ramallah, Bethlehem und Ostjerusalem (insbesondere auf die Altstadt) und ging vor allem auch gezielt weiteren Figurationen und ungleichen Machtchancen – wie z.B. zwischen im Westjordanland lebenden Altansässigen und den Bewohnern von Flüchtlingslagern oder zwischen Angehörigen verschiedener historischer Generationen – nach. Das von Shifra Sagy geleitete Team setzte standardisierte Fragebögen ein, um der Frage nach der Beziehung zwischen muslimischen und christlichen PalästinenserInnen sowie zwischen PalästinenserInnen aus Israel und aus dem Westjordanland nachzugehen. In diesen beiden quantitativen Studien zeigten sich ebenfalls die Brüchigkeit des harmonisierenden Wir-Bildes und die Konfliktlinien zwischen den verschiedenen Gruppierungen von Palästinensern deutlich. Des Weiteren erforschten wir verschiedene Gruppierungen innerhalb der israelisch-jüdischen Bevölkerung. Mit Hilfe von Fokusgruppen und einer Fragebogenuntersuchung wurden zwei Gruppierungen befragt, die in einem konflikthaften Verhältnis zueinander stehen und zwar ‚nationalreligiöse‘ und ultraorthodoxe Israelis. Wie auch in den Interviews zeigte sich bei den Nationalreligiösen ein homogenisierendes Sie-Bild über die so genannten Araber. Bei den Ultraorthodoxen war dagegen der Bedarf zu einer Abgrenzung von diesen recht fremden ‚Anderen‘ nicht so stark wie gegenüber Gruppierungen, die das Selbst- und das Wir-Bild der eigenen Gruppierung herausfordern – z.B. die Nationalreligiösen –, die für die einzelnen Mitglieder akzeptable Zugehörigkeitsangebote jenseits der eigenen Gruppierung bieten.

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