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Der mittelalterliche Zweikampf als agonale Praktik zwischen Recht, Ritual und Leibesübung

Antragsteller Professor Dr. Uwe Israel (†)
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2005 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 12508351
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Jenseits der großflächigen Suche nach den Ursprüngen des modernen Duells, was die ältere rechtsgeschichtlich geprägte Forschung vor allem umtrieb, kamen im Projekt aus einer eher mikrogeschichtlichen Perspektive Zweikampf und Duell als Interaktionsfeld von Praktiken, Prozeduren und Sinnzuschreibungen in den Blick, das in religiöser, rechtlicher, sozialer und spielerisch-rekreativer Hinsicht ausgeleuchtet werden kann (hierzu wurde eine umfangreiche Bibliographie veröffentlicht). Gerade in der vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Konstellationen (Gottesurteil, gerichtliches Beweismittel, Ehrauseinandersetzung, unformalisierte Formen alltäglicher Gewaltanwendung, Fechtschule) liegt eine Erkenntnischance, die einen Beitrag zu einer Kulturgeschichte vormoderner Agonalität leisten könnte. Vor diesem Forschungshorizont hat sich die Projektarbeit im wesentlichen auf vier Schwerpunkte konzentriert, die jeweils in europäisch, insbesondere transalpin vergleichender Perspektive akzentuiert wurden: 1. Rituale: Dem symbolisch-kommunikativen und propagandistischen Aspekt von Zweikämpfen wurde anhand verabredeter, aber nicht durchgeführter Fürstenkämpfe im Frankreich des späten 13. Jahrhundert nachgegangen. Die Wertigkeit des scheinbar archaisch-ritualisierten Kampfordals bei der Wahrheitsfindung im vermeintlich rationaleren Inquisitionsprozeß interessierte bei Grenzauseinandersetzungen zwischen oberitalienischen Kommunen in frühstaufischer Zeit. 2. Akteure: Im Fokus standen soziale, rechtliche und kulturelle Dispositionen der Zweikampfakteure sowie der Funktionsträger im Rahmen des agonalen Geschehens, die bisher kaum Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Reflexion gewesen sind (hierzu wurde eine Tagung durchgeführt). Anhand der eigentümlich zwischen Randexistenz und Festanstellung schwankenden Figur des städtischen Kämpen konnte das Erkenntnispotential eines Brückenschlags zwischen der bisher nur sehr eingeschränkt vernetzten deutschen und italienischsprachigen Zweikampfforschung besonders gut gezeigt werden. 3. Soziale Räume: Darauf aufbauend waren „Hof/Adel“, „Militär/Söldner“ sowie „Stadt/Bürger“ als spezifische soziokulturelle Milieus des Zweikampfs zu differenzieren, die auf die Zahl sowie auf das Regelwerk und die Prozeduren agonaler Konstellationen zurückwirkten und soziale Distinktion bestimmten (hierzu wurde eine internationale Konferenz durchgeführt). Insbesondere unter dem stadtgeschichtlichen Mikroskop lassen sich vielschichtige Beobachtungen zu Handlungsspielräumen, Rollenerwartungen und Identitätsmustern von Kämpfern wie auch Zuschauern machen. 4. Sport- und Konfliktkultur: Von den Fechtschulen, die temporär unter obrigkeitlicher Kontrolle und gegen Ende des Mittelalters in steigender Tendenz von einzelnen Fechtmeistern in den Städten des Reiches und Italiens veranstaltet wurden, lassen sich nicht nur Rückschlüsse auf Waffenbesitz und -kompetenz ziehen. Vielmehr zeigt sich anhand der Leibesübung des Fechtens auch eine Interferenz von bürgerlichen Selbstverteidigungspflichten und eines sich formierenden städtischen Sportangebots. Besonderes Augenmerk wurde auf die Untersuchung mittelalterlicher Fechtbücher gelegt, die als Fachschriften der Kampfkunst detaillierte Rückschlüsse auf die untersuchten Phänomene ermöglichen. In diesem Zusammenhang standen besonders Überlegungen zur Medialität dieser Zeugnisse und der konkreten Verbindung von textlichen und bildlichen Beschreibungen mittelalterlicher Körpertechniken im Vordergrund (hierzu wurde eine umfangreiche Bilddatenbank veröffentlicht).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Vor- und Frühgeschichte des Duells? - Ein Kommentar, in: U. Ludwig/B. Krug-Richter/G. Schwerhoff (Hg.), Das Duell. Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne, Konstanz 2012, 125-128
    U. Israel
  • Der Bürger und das Schwert. Faktoren der städtischen Fechtschulkonjunktur im ausgehenden Mittelalter, in: L. Deutscher/M. Kaiser/S. Wetzler (Hg.), Das Schwert – Symbol und Waffe, Rahden/Westf. 2014, 207-223
    C. Jaser
  • Die Aufzeichnung des Nicht-Sagbaren. Annäherung an die kommunikative Funktion der Bilder in den Fechtbüchern des Hans Talhofer, in: C. Jaser/U. Israel (Hg.), Zweikämpfer. Fechtmeister - Kämpen - Samurai, Berlin 2014, 255-303
    E. Burkart
  • Infamis etiam campio non esse potest. Kämpen in deutschen und italienischen Städten des Spätmittelalter zwischen Marginalität und Rechtspflege, in: C. Jaser/U. Israel (Hg.), Zweikämpfer. Fechtmeister - Kämpen - Samurai, Berlin 2014, 380-406
    C. Jaser
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/mial-2014-0021)
  • Turniere auf Reichstagen zwischen Präsenz und Performanz. Eine Vorüberlegungen zu den Politiken des Agonalen, in: M. Bacsóka/A.-M. Blank/T. Woelki (Hg.), Europa, das Reich und die Osmanen. Die Türkenreichstage von 1454/55 nach dem Fall von Konstantinopel = Zeitsprünge 18 (2014), H. 1/2, 178-203
    C. Jaser
  • Zweikämpfer. Fechtmeister - Kämpen - Samurai, Berlin 2014
    C. Jaser/U. Israel (Hg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/mial-2014-frontmatter2 https://doi.org/10.1515/mial-2014-0015)
 
 

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