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Management multipler Divergenzen - Begleitstudie zur Organisation und Koordination des Mega-Event-Projekts 'Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010'

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2009 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 129836900
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Jahr 2010 fand im Ruhrgebiet das Kulturereignis Europas im frühen 21. Jahrhundert statt. Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts 'Management multipler Divergenzen' stand vor allem die intentionale Produktion solcher extra-ordinärer kultureller Kollektivveranstaltungen durch professionelle Organisatoren am Beispiel der umsetzenden 'RUHR.2010 GmbH – Essen für das Ruhrgebiet'. Die zentrale Fragestellung des interpretativen ethnografischen Forschungsvorhabens richtete sich darauf, ob und wie die Ziel- und Interessenkonflikte zwischen den in die Kulturhauptstadt involvierten Akteuren 'gemanaged' wurden. Im Forschungsverlauf kristallisierten sich vier Blickrichtungen auf die Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 heraus, die zu weiterführenden Erkenntnissen führten. Zunächst wurde festgestellt, dass bereits die Rahmenbedingungen im Vorfeld der eigentlichen Organisationsphase multiple Divergenzen implizierten. Bei der Kulturhauptstadt RUHR.2010 ließen sich zwei idealtypische Formen der Interpretation der Gestaltungsalternativen des Großereignisses abgrenzen: Das pluralistische Modell setzt bevorzugt darauf, von einer Vielzahl an (auch disparaten) (Projekt-)Ideen regionaler Akteure für die Ausgestaltung des Programms der Kulturhauptstadt auszugehen. Das monistische Modell geht dagegen von einer Art 'Zentralgewalt' (Intendant) aus, die die konzeptionelle und programmatische Leitlinie der Kulturhauptstadt von einer Grundidee ausgehend vorgibt. Realisiert wurde naheliegender Weise eine Mischform der beiden Modelle. Die Analyse der Prozesse des Aufbaus einer Mega-Event-Organisation ergab, dass die von der Leitung offiziell ergriffenen Maßnahmen zur Förderung eines notwendigen und von allen gewollten Formalisierungs- und Strukturierungsprozesses nicht ausreichten, um die erhebliche Unsicherheit der Mitarbeiter bei der Realisierung einer ihnen fremden Aufgabe hinlänglich zu reduzieren. Im Zentrum des beobachteten und rekonstruierten Strukturierungsprozesses stand deshalb das Handeln der Mitarbeiter. Letztere begannen, auf ihre individuellen Erfahrungen aus anderen Zusammenhängen zurückgreifend, zunächst 'irgendwie' zu handeln. Durch die Aneinanderreihung mehr oder weniger bedacht aufeinander bezogener Aktivitäten entstand so ein 'Pfad des Handelns', der strukturierend wirkte. Diese Strukturierungs- und Rollenarbeit wurde von den Mitarbeitern der RUHR.2010 GmbH typischerweise subjektiv allerdings nicht als 'notwendige Arbeit' (bzw. als notwendiger Teil ihrer Arbeit) wahrgenommen. Augenscheinlich wurde bei der Projektdurchführung, dass die RUHR.2010 GmbH nicht einer zweckrationalen, bürokratischen, homogenen und permanenten Organisation entsprach. Folglich wurde analysiert, was die Organisation zusammenhielt. Durch die Identifikation und Motivation der Mitarbeiter, die Destruktion organisationsinterner Grenzen sowie durch stabilisierende Segmente innerhalb der Organisation – gepaart mit der Externalisierung von Aufgaben – konnten die unterschiedlichen Interessen und Handlungen der verschiedenen Organisationseinheiten aufeinander bezogen, Entscheidungen gefällt und so organisationales Handeln ermöglicht werden, ohne dass ständig von Neuem kaum zu überwindende Blockaden entstanden. Schließlich wurde der Frage nachgegangen, wie es der RUHR.2010 GmbH gelang, trotz fehlender hierarchischer Strukturen und trotz unumgänglicher Enttäuschungen (aufgrund begrenzter Ressourcen sowie einer zum Teil negativen Grundstimmung in der Region) zumindest in gewissem Maße steuernd eingreifen zu können. Um wenigstens ein Mindestmaß an Kontrolle über den Verlauf des Groß-Ereignisses zu sichern, wurde durch die Begrenzung des engeren Feldes von Akteuren eine Exklusivität der Teilnahme erzeugt. Diese Exklusivität führte zu einer Stabilisierung der Motivation der (durch Verträge) 'formalisiert' angebundenen Akteure. Zugleich wurde eine Vielzahl von Akteuren absichtsvoll ermutigt, weiterhin ihr Interesse, 'irgendwie' Teil der Kulturhauptstadt zu sein, zu verfolgen – was wiederum den Handlungs- und Integrationsdruck auf die Akteure des formalisierten Netzwerkes erhöhte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010): Das Ereignis als Aufgabe. Zur Trajektstruktur der Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010. In: Frank, Sybille/Schwenk, Jochen (Hrsg.): Cultural Turns in der Soziologie. Frankfurt a.M., New York: Campus. S. 343-360
    Hitzler, Ronald/Niederbacher, Arne
  • (2011): Organisationsprobleme der kulturbetriebenen Transformation moderner Urbanität. Das Beispiel der europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010. In: Betz/Hitzler/Pfadenhauer (Hg.): Urbane Events. Wiesbaden: VS Verlag. S. 335-350
    Möll, Gerd/Hitzler, Ronald
  • (2011): Steuerung komplexer Projekte. Zur institutionellen Einbindung urbaner Mega-Event-Organisationen. In: Betz/Hitzler/Pfadenhauer (Hg.): Urbane Events. Wiesbaden: VS Verlag. S. 319- 334
    Betz, Gregor/Niederbacher, Arne
  • (2012): Mega-Event-Macher. Zum Management multipler Divergenzen am Beispiel der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Wiesbaden: VS Verlag, 131 S. gesamt
    Hitzler, Ronald/Betz, Gregor/Möll, Gerd/Niederbacher, Arne
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1007/978-3-531-19584-1)
 
 

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