Verlaufsformen von Angst- und Depressionsstörungen vom Vorschul- zum Grundschulalter und deren Zusammenhang mit psychosozialen und biologischen Faktoren
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bei dem durchgeführten Projekt handelt es sich um eine prospektive Längsschnittstudie zur Erforschung früher Manifestationen sowie des Verlaufs von Angst- und Depressionssymptomen („internalisierende Symptome“) sowie Störungen vom Vorschul- (3-5 Jahre) bis zum Grundschulalter (7-9 Jahre). Weiterhin wurden psychosoziale, neurobiologische und genetische Risiko- und Schutzfaktoren sowie ihr Zusammenwirken in Bezug auf Angst- und Depressionssymptome untersucht. Die Symptome wurden für N = 325 Kindern (158 Mädchen; 48,6%) an bis zu vier Messzeitpunkten ab dem Alter von 3 Jahren bis zum Schulalter von den Eltern erfragt. Zudem wurden zu drei umfassenden Messzeitpunkten Symptomatik und Störungen sowie Risiko- und Schutzfaktoren (z.B. Misshandlungserfahrungen, kritische Lebensereignisse, psychische Gesundheit der Eltern, positive Repräsentationen) durch Interviews, Fragebögen sowie kindgerechte Tests/Befragungen erfasst. Weiterhin wurden Genetik und Stressreaktivität (Cortisol) erhoben. Mittels Growth Mixture Modelling wurden vier Verlaufsgruppen internalisierender Symptome identifiziert: eine Gruppe mit „stabil niedrigen“ Symptomen (28,6%), eine Gruppe mit zunächst niedrigen Symptomen, die zunahmen (“niedrig ansteigend”; 14,5%), eine Gruppe mit “stabil moderaten” Symptomen (44,3%) und eine Gruppe mit „stabil hohen“ Symptomen (12,6%). Die Kinder der „stabil hohen“ Gruppe wiesen eine klinisch relevante Symptomausprägung auf und erfüllten zum großen Teil die Kriterien für die Diagnose einer depressiven Störung. Diese überwiegend stabilen Symptomverläufe und die damit einhergehende Beeinträchtigung sprechen dafür, dass Angst- und Depressionssymptome schon bei jungen Kindern stärker beachtet und betroffene Kinder möglichst frühzeitig behandelt werden sollten. Die Analysen potentieller Risikofaktoren ergaben, dass kritische Lebensereignisse, die Verlust/Trennung umfassten, frühe Mißhandlungserfahrungen, mütterliche Psychopathologie, kindliches Temperament und neurobiologische Stress-Hyporeaktivität mit stabil hohen Symptomverläufen assoziiert waren. Diese können daher als frühe Risikomarker und wichtige ätiologische Faktoren angesehen werden. Darüber hinaus deuten unsere Befunde darauf hin, dass belastende Lebensereignisse, Misshandlungen und psychische Probleme der Eltern vielversprechende Ziele für Prävention und Intervention darstellen. In weiteren Analysen wurde das Zusammenwirken verschiedenster Risikofaktoren untersucht oder auf geschlechtsspezifische Effekte fokussiert. Dabei zeigte sich, dass bestimmte genetische Variationen das Risiko für internalisierende Störungen im Vorschulalter beeinflussen, indem sie die Anfälligkeit für den Einfluss von milden bis moderaten belastenden Lebensereignissen verändern. Hoch belastende Lebensereignisse (schwerer Unfall etc.) dagegen stellen unabhängig von der genetischen Prädisposition ein Risiko dar. In Bezug auf das Geschlecht zeigte sich, dass bei Mädchen, nicht jedoch bei Jungen, die mütterliche depressive Symptomatik als Risikofaktor wirkte, hierbei positive Repräsentationen der Mutterfigur aber als Schutzfaktor fungierten. Im Verlauf des Grundschulalters zeigte sich, dass depressive Symptome von Vätern unterschiedlich stark mit denen von Söhnen und Töchtern zusamenhängen, während sich der Zusammenhang von Symptomen von Müttern und ihren Kindern als weniger geschlechtsspezifisch erwies. Insgesamt lassen die vorliegenden Daten den Schluss zu, dass hohe Angst- und Depressionssymptome im Vorschulalter eine genaue Diagnostik und gegebenenfalls eine frühzeitige psychotherapeutische Intervention erfordern, insbesondere wenn zusätzliche Risikofaktoren vorhanden sind.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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