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Experimentelle Untersuchungen zur Kontinuität der kognitiven Entwicklung in den ersten Lebensjahren

Fachliche Zuordnung Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Förderung Förderung von 2009 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 131932915
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem zweiteiligen Projekt "Experimentelle Untersuchungen zur Kontinuität der kognitiven Entwicklung in den ersten Lebensjahren" lag unser Bemühen darin, die Kluft zwischen den sich mehrenden Hinweisen auf früh ausgebildete kognitive Kompetenzen einerseits und den unbestrittenen kognitiven Defiziten jüngerer Vorschulkinder andererseits zu schließen. Unsere Strategie bestand darin, Aufgabenstellungen und Stimuli, die in einschlägigen Säuglingsstudien verwendet wurden, für Vorschulkinder zu adaptieren. Weil sich in Studien, in denen wir ausgewählte Säuglingsaufgaben in verbalem Format präsentierten, zumindest bei jüngeren Vorschulkindern, nicht vorhergesehene Schwierigkeiten offenbarten, gingen wir dazu über, verschiedene indirekte Methoden der Säuglingsforschung zu adaptieren und neue direkte und indirekte Methoden zu entwickeln. Durch den Einsatz indirekter Methoden (antizipatorisches Schauen, Erwartungsverletzungsmethode, Pupillometrie, Handlungsaufgaben) konnten wir in unseren neueren Studien auch 2-jährige und teilweise sogar 1-jährige Kinder mit dem gleichen Paradigma untersuchen wie ältere Kinder und somit die Frage nach der Kontinuität der kognitiven Entwicklung ohne Konfundierung mit der verwendeten Erhebungsmethode beleuchten. Durch die Erweiterung des Alters- und Methodenspektrums ergaben sich konkrete Schnittstellen mit der aktuellen Säuglingsforschung. Anfängliche Hinweise auf U-förmige Entwicklungsverläufe, welche die Kluft zwischen "frühen Kompetenzen" und "späten Inkompetenzen" hätten schließen und verständlich machen können, waren auf den Bereich der naiven Statik beschränkt und haben sich auch hier letztlich nicht erhärten lassen. Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich die unerwartet negativen Ergebnisse, die wir in der ersten Projektphase mit direkten Methoden erzielten, selbst bei Verwendung indirekter Wissensindikatoren wiederholt zeigten. Eine häufig zitierte Eyetracking-Studie von Southgate, Senju und Csibra (2007), die allgemein als Beleg für eine differenzierte (metarepräsentationale) Theory of Mind bei Zweijährigen angesehen wird, wurde von uns in einer Querschnittstudie, an der mehr als 450 Kinder zwischen 2 und 6 Jahren teilnahmen, einer besonders aufwändigen und sorgfältigen Überprüfung unterzogen. Die kritischen Befunde von Southgate et al. ließen sich, trotz einer gegenüber der Originalstudie vergrößerten Stichprobe, in keiner Weise replizieren. Insgesamt lassen die Ergebnisse unserer ausgiebigen Bemühungen, die Entwicklung früher Kompetenzen jenseits der ersten beiden Lebensjahre zu verfolgen, an der Validität, der Robustheit und/oder dem Stellenwert der betreffenden Kompetenzen aufkommen. Letztlich wird es Aufgabe der Säuglingsforschung sein, im Einzelnen zu klären, inwieweit diese Zweifel berechtigt sind, um dann mit Hilfe validierter Paradigmen die Entwicklung kognitiver Kompetenzen über die frühe Kindheit hinaus, möglichst mit längsschnittlichen Designs, zu verfolgen. Möglicherweise muss das Bild vom kompetenten Säugling, wie es sich in den vergangenen Jahrzehnten etabliert hat, für den kognitiven Bereich revidiert werden. Die Suche nach immer früher ausgebildeten, immer anspruchsvolleren Kompetenzen, wie sie gegenwärtig besonders in der Theory of Mind-Forschung intensiv betrieben wird, ist möglicherweise fehlgeleitet und für ein besseres Verständnis der kognitiven Entwicklung kontraproduktiv.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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