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Der touristische Diskurs und die Bedeutung interkultureller Kontakte in der Geschichte der Pemon-Kamarakoto von 1900 bis heute

Subject Area Social and Cultural Anthropology and Ethnology
Term from 2009 to 2013
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 132915184
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

Meine Darstellung der Pemón-Geschichte orientiert sich an Ereignissträngen und Themenkomplexen, die allerdings nicht streng im chronologischen Zusammenhang präsentiert werden, sondern sich vor allem an den Schauplätzen (Knotenpunkte mehrerer Ereignisstränge), manchmal auch an den maßgeblichen Akteuren orientieren. Da es keine umfassende geschriebene Geschichte der Region gibt (keine, in der auch Indianer vorkämen), bestand eine erste Aufgabe im Etablieren eines Zeitgerüsts aus gesicherten Daten. Aus der Perspektive der Pemón ist das weniger wichtig. Für sie ist der Jimmie Angel im Tal von Kamarata ein (mit ihnen verwandter!) mythischer Held; der Jimmie Angel, der stets betrunken in den Bars der Flughäfen phantastische Lügengeschichten erzählte, ist für sie eine ganz andere Person. Sie haben keine Theorie über multiple Identitäten, urteilen aber meist kontextbezogen; für sie "machen Räume Leute". Personen werden verortet, sie werden räumlich zugeordnet. Auch bei der Beschreibung des Tourismus aus der Pemón-Perspektive wird klar, wie sehr Touristen und Tourismus mit bestimmten – für diesen Zweck hergerichteten oder mit zweckdienlichen Bedeutungen ausgestatteten – Begegnungsräumen oder Plätzen verbunden werden. Am deutlichsten erkennt man das an der internen Organisation eines "campamento" in Vorder- und Hinterbühne(n); aber auch auf größere "sitios" und sogar auf den gesamten Lebensraum der Pemón, der die Savanne einschließt, treffen strukturell vergleichbare Raumordnungen zu. Wo sie meine Darstellung nicht an einzelnen Orten oder in benennbaren Räumen angesiedelt ist, bildet sie die Forschungsmethode ab; etwa deren Prinzipien "follow the people" (über den Forscher Simpson), "follow the conflict" (über den Stein "Kueka") und "follow the story" (über den Maichak-Mythos). Dann ist eine diachrone Ordnung häufiger. Bei meiner Auswertung des Materials über Touristen und Tourismus diskutiere ich alle einschlägigen Theorien und vergleiche meine Befunde überregional. Neben dem Verhalten und Aussehen der Touristen sind es dabei vor allem die vielfältigen von ihnen (in der Fremde, während und nach der Reise im Internet und schließlich zuhause) produzierten Texte, die als Materialbasis und Grundlage der Analyse dienen. Überraschend viele der bestehenden Lehrmeinungen über Tourismus lassen sich – mit Modifikationen oder kleinen Einschränkungen – auf die Verhältnisse in der Gran Sabana übertragen; eine umfassende Theorie "des" Tourismus ist m.E. angesichts seiner fortschreitenden Differenzierung nicht mehr möglich. Das zu Beginn des Projekts erwähnte Konzept der "kulturellen Hybridität" hat sich als wenig ertragreich erwiesen; es wird kritisch hinterfragt. Eine aus den frühesten Untersuchungen zur Motivation von Touristen hervorgegangene Erkenntnis, die in der neueren Backpacker-Forschung aufgegriffen und eindrucksvoll bestätigt wurde, kann auch für die meisten Besucher der Gran Sabana gelten: Touristen können auf einer Skala zwischen dem "Identitäten-Spieler" und dem "Identitäts-Arbeiter" eingeordnet werden. Auf der Indianerseite gibt es durchaus Parallelen, vor allem was die Bedeutung von Spezialisierung und Professionalisierung für die Identität der vielen jungen Pemón – Männer und Frauen – angeht, die im Tourismusgeschäft arbeiten.

 
 

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