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Intime Texte, intime Räume. Zur Konstruktion von Intimität und Nähe in der russischen Kultur

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung Förderung von 2006 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 13430062
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Intimität und Nähe wurden in zwei parallel ablaufenden Projekten bearbeitet; beide Projekte sind als Monographien angelegt; die Ergebnisse des Unterprojekts (Kommunalka) liegen bereits in Manuskriptform vor; das Manuskript für "Intime Texte, intime Räume" wird im März 2009 abgeschlossen. In dem Dachprojekt "Intime Texte, intime Räume" wurden theoretische, historische und typologische Aspekte der Intimität erarbeitet, wobei der Untersuchungsgegenstand die russische Kultur war. In einem theoretischen Kapitel wird Intimität als kulturelle Praxis begrifflich im Rahmen von Staat, Öffentlichkeit und Privatheit verortet, und die einzelnen Intimen Praktiken (Lektüre - Sehen - Geben/Gabe - Magie) werden beschrieben. Die Geschichte der Intimität in Russland hat sich seit der altrussischen Periode in einem engen Kontakt mit der Macht entwickelt und tritt häufig als Zwangsintimtät in Erscheinung. Während die Geschichte der Intimität in Russland im 15. Jhd. mit den Mystikern beginnt, sind Romantik, Symbolismus und Stalinismus epochale Höhepunkte. Die Analyse der Erscheinungsformen von Intimität konzentriert sich auf intime Texte (Briefe und Tagebücher) und intime Räume (Zuschauerräume und Wohnräume). Ausgehend von der Frage "Wer kommuniziert mit wem und wie etabliert diese Kommunikation eine intime Beziehung?" werden Briefe und Tagebücher aus intra- und extradiegetischer Perspektive analysiert. Zuschauerräume etablieren insofern ein intimes Feld, als Zuschauen - ausgehend von Christian Metz' signifiant imaginaire - als intimer Akt gedeutet wird; am Beispiel selbstreflexiver Filme aus den 1920er Jahren und der Zuschauer-Star-Beziehung wird dieser Akt präzisiert. Wohnräume spielen die Dialektik zwischen Nähe und Ferne räumlich aus; es werden verschiedene Wohn- und Gemeinschaftsentwürfe betrachtet, die das Individuum (zwangsweise) in einer intimen Gemeinschaft zu positionieren versuchen. Ein abschließendes Kapitel befasst sich mit dem Thema "Intimität und Gewalt" und untersucht einerseits Ästhetiken der Nähe (Ästhetik des Schreckens, Ekel), andererseits eine intime Thematik wie Familiengewalt (Inzest). Während das Dachprojekt anhand von Fallbeispielen das Feld der Intimität abzustecken versucht, befasst sich das Unterprojekt "Geschichte(n) der Kommunalka" mit einer intimen Situation im Extrem (die Kommunalwohnung) und arbeitet an dieser verschiedene Begriffsfelder des Intimen ab. Das Kapitel zur historischen Kontextualisierung konzentriert sich auf den Ausnahmezustand sowie auf die ambivalenten wohnungsbaupolitischen Anordnungen im intimen Raum der Kommunalwohnung und auf die daraus entstehende Freiräume, die eine Gegenentwicklung eines autonom handelnden Subjekts ermöglichten. Im theoretischen Kapitel wird das intime Begriffsfeld der Liminalität als Erfahrungs- und Handlungsform des Dazwischen behandelt. Wie die aufgeführten literarischen Beispiele zeigen, spielt sich die meist konfliktreiche gesellschaftliche sowie intime Auseinandersetzung an den Orten der gemeinsamen Nutzung ab, d.h. Im Dazwischen. Der literaturanalytische Hauptteil der Arbeit widmet sich liminalen Phänomen wie Unordnung, Traum, Magie und Konfliktsituationen in der Kommunalwohnung. Der Begriff der Intimität ist Im Kontext der Kommunalka übenwiegend mit der Privatsphäre assoziiert, die im Gegensatz zum Öffentlichen und Politischen steht Für den Rahmen dieser Untersuchung ist das Eindringen in die Intim- und Pri- vatsphäre des Einzelnen durch den Staat weniger relevant als die zwischenmenschliche Intimität, die erst unter solchen Umständen nicht nur unter Familienmitgliedern und im freundschaftlichen Kreis, sondern auch mit Fremden möglich bzw. notwendig wird. Unter den Lebensbedingungen in der Kommunalwohnung, in der private Gegenstände genauso wie private bzw. intime Beziehungen im Namen der propagierten neuen Lebensweise nach außen auf den öffentlichen Platz getragen wurden, haben die Bewohner versucht, veröffentlichte Bereiche im Zwischenmenschlichen zu (re)intimisieren. Ein weiterer Schlüsselbegriff ist der der Solidarität, zudem untersucht die Arbeit Formen gestörter Intimität Die Untersuchung profiliert ein neues Konzept von einer Öffentlichkeit, die durch Intimität bedingt ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Allein, zu zweit, zu dritt. Gaben und Gegengaben im Briefwechsel. In: Nähe schaffen, Abstand halten. Zur Geschichte der Intimität in der russischen Kultur Hrsg. Nadezda Grigor'eva, Schamma Schahadat, Igor' P. Smirnov. Wien, München 2005, 149-182. (Wiener Slawistischer Almanach Sonderband 62)

  • Alltag. Sonderheft der Zeitschrift Plurale. Hrsg. Mirjam Goller, Guido Heldt, Schamma Schahadat, Jörg Silbermann. Berlin 2008.

  • ConepHMK, napaaur, cnacuTenb. Onrypbi Tperbero B KMHO 1920-60-x. [Rivale, Parasit, Erlöser. Figurationen des Dritten im russischen Film 1920-1960]. In: X. FKDHTep, C. XaHcreH (Hgg.), CoeemcKSft enacmb u Medua. Sankt-Peterburg 2006, 482-495.

  • Exil, kulturelle Konversion, Verrat: Joseph Conrad und Bronistaw Malinowski. In: W. Kissel, F. Thun, S. Sasse (Hgg.), Exklusion. Figuren der Ausgrenzung in der polnischen und russischen Kultur des 20. Jahrhunderts. München 2006, 37-56.

  • Extremer Alltag: Russische Kriegstagebücher. In: A/ltag. Sonderheft der Zeitschrift Plurale. Hrsg. Mirjam Goller, Guido Heldt, Schamma Schahadat, Jörg Silbermann. Berlin 2008, 181-212.

  • Extremistische Ästhetik. Solidarität als Widerstandsform im total(itär)en Alltag bei Daniil Charms und bei Ray Bradbury. In: Alltag. Sonderheft der Zeitschrift Plurale. Hrsg. Mirjam Goller, Guido Heldt, Schamma Schahadat, Jörg Silbermann. Berlin 2008, 43- 62.

  • Geschichte(n) der Kommunalka; Zur Recodierung von Intimität. In.' Nähe schaffen. Abstand halten. Zur Geschichte von Intimität und Nähe in der russischen Kultur. Hrsg. Nadezda Grigor'eva, Schamma Schahadat, Igor' Smirnov. München 2005. (Wiener Slawistischer Almanach, Sonderband 62)

  • Nähe schaffen, Abstand halten. Zur Geschichte der Intimität in der russischen Kultur. Hrsg. Nadezda Grigor'eva, Schamma Schahadat, Igor' P. Smirnov. Wien, München 2005. (Wiener Slawistischer Almanach Sonderband 62)

  • Rezension von Groys, Boris; von der Heiden, Anne; Weibel, Peter: Zurück aus der Zukunft. Osteuropäische Kulturen im Zeitalter des Postkommunismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2005.

  • Schwesternmord: Poetik, Politik und Gender in der polnischen Romantik. In: Ins Wort gesetzt, ins Bild gesetzt. Gender in Wissenschaft, Kunst und Literatur Hrsg. Ingrid Hotz-Davies, Schamma Schahadat. Bielefeld 2006, 234-256.

  • Stars - Personen - Kult. Der Filmstar als Band zwischen Masse und Macht. In: Morphologie - Mündlichkeit - Medien. Festschrift für Jochen Raecke. Hrsg. T. Berger, B. Goluboviö. Hamburg 2008, 241-254.

  • Variations of Community: The Kommunalka and Gated Communities, in: Vestnik, Sommer 2005,19-32. (Siehe online unter: http://www.sras.orQ/news2.phtml?m=393 )

  • Väter und Söhne. Stanislavskij, Mejerchol'd, Eizenstejn. In: Wiener Slawistischer Almanach 58 (2006), 49-77.

  • Wie zusammen leben? Wohnen in Ost und West im 20. Jahrhundert. In: die Stadt von morgen. Beiträge zu einer Archäologie des Hansaviertels Berlin. Hrsg. Annette Maechtel, Kathrin Peters. Köln 2008, 244-255.

 
 

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