Einfluss der Verwandtschaftsverhältnisse und der Weibchenfärbung auf die gegenseitige Partnerwahl bei Pelvicachromis taeniatus (Cichlidae)
Final Report Abstract
Ziel des Projektes war es, die evolutive Bedeutung der Verwandtschaft und der Farbornamente, insbesondere die der Weibchen, bei der gegenseitigen Partnerwahl zu untersuchen. Modelsystem war Pelvicachromis taeniatus, ein farbenprächtiger, sozial monogamer Buntbarsch mit biparentaler Brutpflege aus Westafrika. Weiter sollten die proximaten Ursachen der Verwandtenerkennung sowie das Paarungssystem näher beleuchtet werden. Zur Bearbeitung dieser Ziele wurden unterschiedlichste Methoden angewandt, wie standardisierte Laborexperimente (unter Einsatz von Computeranimationen), molekulargenetische Methoden, Fotospektrometrie, Elektronenmikroskopie sowie Röntgenanalysen. Wie aufgrund des hohen elterlichen Aufwandes beider Geschlechter erwartet, zeigten sich nicht nur die Weibchen, sondern auch die Männchen wählerisch bei der Partnerwahl. Interessanterweise bevorzugten beide Geschlechter Vollgeschwister gegenüber Unverwandten als Paarungspartner in standardisierten Laborexperimenten. Diese Befunde wurden durch eine genetische Untersuchung mittels Mikrosatelliten untermauert, die zeigte, dass die Wildpopulation stark ingezüchtet ist. Weiterhin erhielten wir Hinweise darauf, dass dieses Verhalten adaptiv ist, da Verwandte bei der Brutpflege besser kooperierten. Außerdem gab es keine Anzeichen für Inzuchtdepression bei fitnessrelevanten Merkmalen. Somit liegt ein einzigartiges Paarungssystem vor, bei dem die Vorteile von Inzucht die Nachteile zu überwiegen scheinen. Partnerwahlexperimente mit adulten und Schwarmwahlexperimente mit juvenilen P. taeniatus zeigten, dass Verwandte, unabhängig von vorheriger Bekanntschaft, erkannt werden. Die Verwandtenerkennung beruht daher wahrscheinlich auf dem Mechanismus des Phänotypenabgleichs (phenotype matching). Bei Adulten scheint die Verwandtenerkennung selbstreferentiell zu sein (selfreferent phenotype matching), während Juvenile durch ihre Schwarmpartner geprägt werden. Des Weiteren konnten wir zeigen, dass P. taeniatus seine Verwandten allein an geruchlichen Reizen erkennen kann. P. taeniatus weisen mehrere Farbornamente auf, die sich zwischen den Geschlechtern stark unterscheiden. Unser Forschungsfokus lag auf der violetten Bauchfärbung und den ebenfalls violett gefärbten, stark erweiterten Bauchflossen der Weibchen, welche während der Balz an den Bauch angelegt werden und diesen somit größer erscheinen lassen. Die Bauchfärbung setzt sich aus roten und blauen Farbkomponenten zusammen. Die einzelnen Komponenten sagten den Reifegrad bzw. die maternale Qualität voraus. Versuche mit computer-animierten Stimulusweibchen zeigten, dass Männchen Weibchen mit stärker ausgeprägten Ornamenten bevorzugen. Außerdem konnten wir Hinweise dafür finden, dass die weibliche Bauchfärbung ein Dominanzsignal in der Weibchen-Weibchen Konkurrenz darstellt. Die Farbornamente beider Geschlechter waren konditionsabhängig. Weiterhin scheinen sowohl Männchen als auch Weibchen konditionale Strategien bei der Partnerwahl zu verfolgen, abhängig von der eigenen Qualität. P. taeniatus weisen mit bis zu über 80µm Gesamtlänge extrem große Spermien auf (mehr als doppelt so lang wie die anderer Buntbarsche). Dieser Befund ist insofern bemerkenswert, als dass lange Spermien normalerweise mit polygamen Paarungssystemen mit starker Spermienkonkurrenz in Zusammenhang gebracht werden. Unter seminatürlichen Bedingungen konnten wir keine Hinweise auf Fremdvaterschaften bei P. taeniatus finden. Die Evolution von großen Spermien in genetisch monogamen Systemen wirft eine spannende Frage für zukünftige Forschung auf. Sowohl die Entdeckung des Inzucht-bevorzugenden Fisches als auch dessen langen Spermien waren äußerst überraschend und spannend und verlangen weitere intensive Erforschung. Pressemitteilungen: „Größe ist nicht alles: Nahe Verwandte bevorzugt“. „Buntbarsch-Männchen „züchten“ großflossige Weibchen“ (Baldauf et al. 2010); „Buntbarsche: Inzucht ist gut für den Nachwuchs“. Nationale und internationale Berichte: Spiegel online: „Verblüffende Geschwisterliebe unter Fischen“; Welt online: „Bei Tieren hat Inzest auch Vorteile“; FAZ: „Inzucht im Aquarium“; Berliner Zeitung: „Es bleibt in der Familie“; WDR 5 Leonardo: „Geschwisterliebe unter Buntbarschen“; news@nature.com: “Inbreeding gives some an advantage. Sibling matrimony pays off for African fish.”; Fox News online: “Inbreeding Helps Certain African Fish”; Science News online: “All in the family”; Natural History Magazine: “Family ties”; Daily India online: “Inbreeding has a positive effect for some”; China View online: “These female fish prefer brothers as mates”; Science & Vie: “Inceste – Un petit poisson brise le tabou”; Die Presse online: “Inzucht meiden, Inzucht suchen?”; The Scientist: “Female fish dance for love”; Science Daily: “Female fish flaunt fins to attract a mate”; Der Standard: „Wählerische Männchen verändern Aussehen der Weibchen“.
Publications
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