Referential Hierarchies in Morphosyntax: description, typology, diachrony - "The Movima inverse from a typological perspective"
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Movima ist eine vom Aussterben bedrohte, genealogisch unklassifizierte Sprache, die im Amazonastiefland Boliviens gesprochen wird. Eine außergewöhnliche Eigenschaft des Movima ist, dass die Kodierung der Argumente im transitiven Satz sich nicht in erster Linie nach Agentivität (Agens = Subjekt und Patiens = Objekt) richtet, sondern nach inhärenten Eigenschaften der Partizipanten, wie Person, Belebtheit oder Topikalität. Die Rollen der Argumente (Agens oder Patiens) werden dabei durch kontrastierende Morphologie (DIREKT vs. INVERS) am Verb kenntlich gemacht. Eine der Eigenschaften, in denen sich das Movima von Sprachen ähnlichen Typs unterscheidet, ist, dass das Argument, das z.B. nicht-belebte Situationsteilnehmer kodiert, das syntaktische Subjekt darstellt, während das andere Argument, welches z.B. menschliche Teilnehmer kodiert, höchstens pragmatische Subjekteigenschaften hat. Dies steht im Gegensatz zu der bisher postulierten These, dass der Situationsteilnehmer, der höher in einer referenziellen Hierarchie von Person, Belebtheit etc. steht, universell dazu tendiert, als syntaktisches Subjekt kodiert zu werden. Im Projekt „The Movima inverse from a typological perspective“ wurde anhand von Korpusdaten untersucht, welche Rolle das Kriterium „Belebtheit“ für die Zuordnung der Argumente im transitiven Satz wirklich spielt. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Kodierung der Argumente nur im Extremfall (nämlich bei der Interaktion eines Menschen mit einem Gegenstand, nicht aber bei der Interaktion zwischen Mensch und Tier oder Tier und Gegenstand) aufgrund einer Belebtheitsskala stattfindet. In vielen Fällen sind es dagegen eher diskursbasierte Faktoren, die zur Wahl einer der möglichen Konstruktionen führen. Das Movima liegt somit im Vergleich von Sprachen mit mehreren transitiven Konstruktionen etwa mittig auf einer Skala von „rigiden“ vs. „flexiblen“ Systemen. Daneben hat sich die Hypothese bestätigt, dass das referenziell niedriger angesiedelte Argument im transitiven Satz die syntaktischen Subjekteigenschaften auf sich versammelt. Da es weder mit dem Movima verwandten Sprachen noch historische Beschreibungen des Movima gibt, kann nur anhand der aktuellen Syntax und in Analogie zu Erklärungen für vergleichbare Phänomene in anderen Sprachen gemutmaßt werden, dass sich diese Strukturen aus einer Possessivkonstruktion entwickelt haben. Jedoch ist die synchrone Evidenz für eine solche Entwicklung im Movima ganz besonders frappierend, da die nominale Possessivkonstruktion ungewöhnlich viele strukturelle Eigenschaften mit einer verbalen, transitiven Konstruktion teilt (zum Beispiel die Existenz eines Antipassivs). Im Projekt wurden weitgehend die im Antrag anvisierten Aktivitäten ausgeführt und erreicht; so wurde zum Beispiel ein umfangreiches Korpus entsprechend der relevanten Kriterien kodiert und veröffentlicht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2012. Ergativity, Valency and Voice. Berlin/New York: Mouton de Gruyter. [= Empirical Approaches to Language Typology, 48] 388pp.
Authier, Gilles and Katharina Haude (eds.)
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2012. La Saillance. Numéro spécial de Faits de Langues No. 39
Haude, Katharina and Annie Montaut
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2012. “Introduction.” In: Authier and Haude (eds.), Ergativity, Valency and Voice. Berlin/New York: Mouton de Gruyter. [= Empirical Approaches to Language Typology, 48], 1- 14
Authier; Gilles and Katharina Haude
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2012. “Undergoer orientation in Movima.” In: Authier and Haude (eds.), Ergativity, Valency and Voice. Berlin/New York: Mouton de Gruyter. [= Empirical Approaches to Language Typology, 48], 259-288
Haude, Katharina
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Referential hierarchies and alignment: An overview. Linguistics
An Interdisciplinary Journal of the Language Sciences Band 54, Heft 3, 2016, 433-441
Haude, Katharina and Alena Witzlack-Makarevich