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Erklärungen, Gesetze, Mechanismen und Mikrofundierung in den Sozialwissenschaften

Fachliche Zuordnung Theoretische Philosophie
Förderung Förderung von 2009 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 61826517
 
In dem Projekt soll der Mechanismusbegriff in den Sozialwissenschaften und der Philosophie der Sozialwissenschaften untersucht werden. Die aktuelle Rede von Mechanismen ist verknüpft mit Modellen sogenannter „mechanismischer Erklärungen“ und mit sozialontologischen Debatten, die es zu klären und mit gegenwärtigen Erklärungstheorien sowie der sozialwissenschaftlichen Praxis zu konfrontieren gilt. Da eine Motivation in diesen Debatten der vermeintlich genuin „historische“ Charakter sozialer Phänomene ist, soll an die erste Projektphase anknüpfend das Verhältnis von Soziologie und Geschichtswissenschaft bestimmt und die Diskussion über die Möglichkeit sozialer oder historischer System-Gesetze geklärt werden.Darüber hinaus soll die spannungsreiche Verzahnung sozialwissenschaftlicher Theorienbildung mit der Philosophie (insbesondere der Metaphysik) untersucht werden, da diese bis heute das Fundament soziologischer Theoriediskurse und Forschungsansätze bildet. Die Vielzahl gegenwärtiger Mechanismustheorien ist vornehmlich dieser Verzahnung geschuldet. Die zentrale Rolle der Philosophie zeigt sich schon im jeweiligen Verständnis des soziologischen Untersuchungsgegenstandes: So gilt die Soziologie, abhängig von sozialontologischen Theorien, etwa als Handlungswissenschaft, als Wissenschaft sozialer Relationen oder auch als Wissenschaft sozialer Systeme. Als Folge existieren derzeit mindestens sechs Schulen, die unterschiedliche Theorien sozialer Mechanismen vertreten. Die Frage, ob diese überhaupt einen tragfähigen gemeinsamen Kern aufweisen, ist ein Hauptanliegen des Projekts, da Sozialwissenschaftler ihre Forschung einerseits zunehmend an einer dieser Schulen ausrichten, andererseits zentrale philosophische Begriffe („Kausalität“, „sozial“, „Struktur“, „System“, „Emergenz“, „Mechanismus“, „Mikrofundierung“) in diesen Schulen auf sehr unterschiedliche Weise verwendet werden.Die vieldiskutierte Mikrofundierungsthese besagt, grobgesprochen, dass Aussagen über kausale Zusammenhänge in sozialen Systemen nur zulässig sind, wenn deren Wirksamkeit auf der Ebene der einzelnen Akteure nachgewiesen wird. Die stärkere mikroreduktionistische These besagt, dass Akteure die einzigen kausalen Faktoren in sozialen Systemen darstellen, eine genuin „soziale Kausalität“ also nicht existiert. Im Anschluss an die Mikrofundierungs- und Mikroreduktionsthesen ist umstritten, ob kausale Relationen zwischen sozialen Makrosachverhalten (M-M) bestehen können und ob Makro-Mikro-Kausalität („soziale Kausalität“) existiert (Mm). Die Kontroversen werden häufig anhand verschiedener Versionen des in der Soziologie berühmten „Boudon-Coleman-Diagramms“ (Boudon 1981; Coleman 1987, 1990) diskutiert: Gesetze werden hier vornehmlich im Zusammenhang mit der Interpretation der waagerechten Pfeile diskutiert, wobei die Annahme von Gesetzmäßigkeiten zwischen Makroeigenschafen sozialer Systeme traditionell besonders umstritten ist. Die These der Notwendigkeit der Mikrofundierung von Makroregularitäten dient vielmehr der Überwindung der Frage nach sozialen Gesetzen, jedoch führt dies häufig zum Postulat „sozialer Kausalität“ von der Systemebene auf die Handlungsebene, die ebenso kontrovers diskutiert und von methodologischen und ontologi- schen Individualisten abgelehnt wird. Die Debatte über „Erklärungen, Gesetze, Mikrofundierung und Mechanismen“ ist daher eingebunden in die alte Kontroverse zwischen dem ontologischen und methodologischen Individualismus/Holismus, wobei mechanismische Ansätze oft eine vermittelnde Position einnehmen sollen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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