Verhaltensphysiologie des Stabilimentbaus bei Argiope-Arten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Radnetzspinnen der Gattung Argiope sind dafür bekannt, zusätzliche Seidenstrukturen in ihr Netz einzuweben. Diese auch Stabilimente genannten Netzdekorationen bestehen aus dicht gewobenen zickzack-förmigen Seidenbändern, die deutlich sichtbar sind. Dies erscheint paradox, da das Radnetz dem Fang von Insekten dient und daher unsichtbar sein sollte. Der selektive Vorteil, den die Spinnen mit dem Einbau von Stabilimenten erzielen, wurde daher in der Vergangenheit oft dem Signaleffekt dieser Zusatzstrukturen zugesprochen. Zahlreiche Studien diskutieren Stabilimente als Warnsignal, als Prädatoren-Abwehrmechanismus oder als ein Element zur Beutenanlockung. Diese mehr oder minder gut belegten ultimaten Funktionen können jedoch den evolutiven Ursprung dieses Verhaltens nicht erklären, welcher wahrscheinlich in der Physiologie der Spinnen begründet liegt. Das vorliegende Projekt beschäftigte sich mit der Verhaltensphvsiologie des Stabilimentbaus und dessen proximaten Ursachen. Das Augenmerk lag auf dem potenziellen Einfluss dreier wichtiger physiologischer Prozesse: Der Beutefang, die Häutungsphasen und der Wasserhaushalt der Spinnen. Argiope-Arten nutzen für das Entwickeln von Beute den gleichen Seidentyp wie für das Weben der Stabilimente. Frühere Arbeiten fanden, dass ein übermäßiger Verbrauch dieser Seide beim Beutefang die Stabilimentbauaklivität der Spinnen verstärkt. Möglicherweise wurden die entsprechenden Spinndrüsen aktiviert. Im ersten Teil des Projektes sollte dieser Zusammenhang auch auf seine umgekehrte Gültigkeit hin überprüft werden. Verbessert der Stabilimentbau auch die Beutefangeffizienz der Spinnen? In einem Experiment an A. aetherea konnte dies nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise ist der aktivierende Effekt auf die Spinndrüsen unidirektional, da beim Stabilimentbau weniger Seide verwendet wird, als beim Einwickeln der Beute. Zukünftige Arbeiten werden nicht um das Sezieren der aktiven/inaktiven Drüsen umhinkommen, um über Verhaltensstudien hinaus die Hypothese weiter zu bekräftigen. Ein sehr direkter Einfluss des Beutefanges auf den Stabilimentbau konnte in einem weiteren Experiment ausgeschlossen werden. Arbeiten, die eine Warnsignal-Funktion der Stabilimente beschreiben, gehen davon aus, dass Netzdekorationen zu häufige Netzzerstörungen durch Nicht-Beutetiere verhindern helfen. In einem Experiment konnte nun gezeigt werden, dass die regulär durch Beuteeinschlag ins Netz auftretende Beschädigung keine Verstärkung des Stabilimentbaus zur Folge hat, sondern dies lediglich durch sehr starke Zerstörungseinflüsse erreichbar ist. Der zweite Teilansatz des Projektes, die Untersuchung der Häutungsphasen, gestaltete sich indes als schwer durchführbar. Sowohl technische als auch praktische Probleme ließen die geplante Durchführung der Experimente scheitern. Die Mortalität in den Jugendphasen war im Labor sehr hoch. Zudem konnte der exakte Zeitpunkt der Häutung, wie es nötig gewesen wäre, nicht so einfach bestimmt werden wie vorhergesagl. Eine konforme Versuchsgruppe konnte damit nicht mehr gewährleistet werden. Des Weiteren ließen sich die Laborbedingungen nicht in ausreichendem Maße kontrollieren, was vor allem für die Experimente mit definierten Feuchtigkeitsverhältnissen essenziell war. Als Ausgleich wurden zusätzliche Experimente an einer, aus evolutiven Gesichtspunkten, interessanten Argiope-Art durchgeführt. A. mascordi. Diese Spinnen zeigen einen ungewöhnlichen Stabilimentbau. Sie fertigen als Adultus zirkuläre Muster im Netz an. ein Phänomen, das sonst lediglich bei juvenilen anderer Arten bekannt ist. Bei der Wiederholung des Experimentes zum Nachweis der Spinndrüsenregulations-Hypothese konnte kein Einfluss eines übermäßigen Verbrauchs an Einwickelseide auf den Stabilimentbau nachgewiesen werden, was früheren Untersuchungen widerspricht. Bezüglich des Signaleffekts dieser außergewöhnlichen Stabilimentform konnte gezeigt werden, dass diese, zumindest bei A. mascordi, keinen beuteanlockenden Effekt besitzt. Weitere Untersuchungen an dieser Art sind unbedingt lohnenswert, da auch ihr Lebensstil und eine unscheinbare Körperfärbung auf eine ursprüngliche Stellung innerhalb der Gattung Argiope hinweisen und womöglich wertvolle evolutive Aufschlüsse liefern können. Im dritten Ansatz sollte schließlich der Einfluss des Wasserhaushaltes auf den Stabilimentbau genauer beleuchtet werden. Freilanduntersuchungen an einer tropischen Art, A. aetherea, und einer Trocken landart, A. Trifasciata belegten, dass Netzdesign und Stabilimentbau grundlegend nicht durch Luftfeuchte beeinflusst sind. Nachdem Versuchstiere beider Arten im Labor unter verschieden reicher Wasserversorgung gehalten wurden, konnte ebenfalls kein Effekt gefunden werden. Jedoch bewies ein anschließender Versuch, dass die Spinnen ein echtes Trinkverhalten zeigen. Nach erfahrenem Trockenstress nahmen sowohl die Trockenland- als auch die tropische Art mehr Wasser auf als die Tiere der Wassersättigungs-Gruppe. Dieses Verhalten war auch nicht durch ein reiches Nahrungsregime eliminierbar. Obwohl bekannt ist, dass einige Spinnen ihren Wasserhaushalt allein über die Nahrungsaufnahme regulieren können, scheint dies bei Argiope nicht auszureichen. Interessanterweise nutzte die tropische A. aetherea die Stabilimente als Substrat zum Trinken. Die Spinnen suchten explizit in den Dekorationen nach anhaftenden Wassertropfen. Damit erfüllen Stabilimente über den Signaleffekt hinaus auch eine direkte, physische Funktion.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2011): Signals for damage control: web decorations in Argiope keyserlingi (Araneae, Araneidae). - Behav Ecol Sociobiol. 65:1909-1915
Walter, A. & M.A. Elgar
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(2012): The evolution of novel animal signals: silk decorations as a model system. - Biol Rev. 87:686-700
Walter, A. & M.A. Elgar
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(2012): Water as an essential resource: Orb web spiders cannot balance their water budget by prey alone. - Ethology. I118:534-542
Walter, A., N. Cadenhead, V. Lee Sze Weil C. Dove, E. Milley , & M.A. Elgar