Zeitliche Aspekte auditiver Intensitätsverarbeitung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In Hörversuchen, die Intensitätsdiskrimination unter Vorwärts- oder Rückwärtsmaskierung untersuchen (keine zeitliche Überlappung von Maskierer und Zielton), können die Störgeräusche (Maskierer) zu einer dramatischen Reduktion der Diskriminationsleistung führen. Die Daten der ersten Projektphase zeigen konsistent, dass ein großer Anteil dieses Effekts von nicht-simultanen Maskierern auf Probleme bei der Zuweisung selektiver Aufmerksamkeit zurückzuführen ist. Unsere Experimente bestätigten die Hypothese, dass die perzeptuelle Gliederung der Zieltöne und der Maskierer als separate auditive Objekte den Effekt der Maskierer deutlich und signifikant reduziert. Die Versuchsbedingungen wurden dabei so gewählt, dass ein Effekt auf frühen auditiven Verarbeitungsstufen (Cochlea, Hörnerv) unwahrscheinlich oder ausgeschlossen war. Beispielsweise wurde durch eine Manipulation der interauralen Phasendifferenz in zwei Experimentalbedingungen eine contralaterale bzw. eine ispilaterale Lateralisierung von Maskierern und Zieltönen erreicht. In der contralateralen Bedingung war der Maskierereffekt signifikant geringer, obwohl die Aktivierung des linken und rechten peripheren Systems (also linke bzw. rechte Cochlea/Hörnerv) in beiden Bedingungen identisch war. Diese Befunde wurden durch die Ergebnisse unserer weiteren Experimente bestätigt, in denen mittels Methoden der "molekularen Psychophysik" (behavioral reverse correlation) die Informationsverarbeitung in den Diskriminationsaufgaben erfasst wurde. Hier wurde direkt gemessen, ob die Versuchpersonen ihre Aufmerksamkeit erfolgreich selektiv auf den Zielton richten und den Maskierer ignorieren konnten. Es zeigte sich, dass der negative Effekt der Maskierer auf die Sensitivität in der Intensitätsdiskriminationsaufgabe zu einem großen Teil auf suboptimale Informationsintegration zurückzuführen war. Die Versuchspersonen bezogen die eigentlich zu ignorierenden Maskierer systematisch in ihre Entscheidung mit ein. Dahingegen war das interne Rauschen (im Sinne der Signalentdeckungstheorie) nicht wesentlich erhöht. Die Stärke der Maskierereffekte korrelierte signifikant mit den Entscheidungsgewichten, die den Maskierern zugewiesen wurden, nicht jedoch mit dem aus den Daten geschätzten internen Rauschen. In der zweiten Projektphase wurde in einer relativ großen normalhörenden Stichprobe (97 Versuchspersonen im Alter zwischen 18 und 67 Jahren) untersucht, ob Sprachverstehen in akustisch ungünstigen Situationen mit auditiver selektiver Aufmerksamkeit, visueller selektiver Aufmerksamkeit, Sensitivität für die binaurale zeitliche Feinstruktur und Arbeitsgedächtniskapazität zusammenhängt. Die Fähigkeit zur Zuweisung zeitlicher auditiver Aufmerksamkeit wurde mittels der in Projektphase 1 verwendeten Intensitätsdiskriminationsaufgaben gemessen. Für die Erfassung zeitlicher visueller Aufmerksamkeit wurde ein klassisches Flanker-Paradigma verwendet. Es wurde eine "Cocktail-party" Situation simuliert, in der die von einem Zielsprecher gesprochenen Sätze identifiziert werden mussten, während zwei Störsprecher inhaltlich ähnliche Sätze produzierten. In der Altersgruppe bis 30 Jahren klärten auditive und visuelle selektive Aufmerksamkeit einen signifikanten Anteil der inter-individuellen Varianz in der cocktail-party listening Aufgabe auf. Die Sensitivität für die zeitliche Feinstruktur zeigte ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang mit dem Sprachverstehen, im Einklang mit früheren Studien. Die Arbeitsgedächtniskapazität korrelierte hingegen nicht mit der Leistung in der cocktail-party listening Aufgabe. In der Altersgruppe zwischen 31 und 67 Jahren war nur die Sensitivität für die zeitliche Feinstruktur ein signifikanter Prädiktor für cocktail-party listening, es gab keinen signifikanten Zusammenhang mit selektiver Aufmerksamkeit. In einem weiteren Experiment wurden verschiedene Maße für auditive zeitliche Verarbeitung (gap detection, temporal order judgment, Detektion und Intensitätsdiskrimination unter nicht-simultaner Maskierung) sowie Sprachverstehen unter Störschall und informational masking untersucht. Hier zeigten sich teilweise hohe Korrelationen zwischen den verschiedenen Maßen für zeitliche Verarbeitung. Es gab jedoch nur für eine der Intensitätsdiskriminationsbedingungen einen signifikanten Unterschied zwischen Versuchspersonengruppen mit unterschiedlich guten Leistungen in der cocktailparty listening Aufgabe. Diese Daten sind derzeit Gegenstand weiterer Analysen. Insbesondere werden wir für die Stichprobe aus Projektphase 2 analysieren, ob schizotype Persönlichkeitseigenschaften mit bestimmten auditiven Leistungen korrelieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2012). Binaural release from masking in forward-masked intensity discrimination: Evidence for effects of selective attention. Hearing Research, 294(1-2), 1-9
Oberfeld, D., Stahn, P., & Kuta, M.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.heares.2012.09.004) - (2012). Sequential grouping modulates the effect of non-simultaneous masking on auditory intensity resolution. PLoS ONE, 7(10), e48054
Oberfeld, D., & Stahn, P.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0048054) - (2013). Factors limiting performance in a multitone intensity-discrimination task: Disentangling non-optimal decision weights and increased internal noise. PLOS One, 8(11), e79830
Oberfeld, D., Kuta, M., & Jesteadt, W.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0079830) - (2014). Why do forward maskers affect auditory intensity discrimination? Evidence from "molecular psychophysics". PLOS One, 9(6), e99745
Oberfeld, D., Stahn, P., & Kuta, M.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0099745) - (2015). Predictors of impaired cocktail-party listening in young adult listeners with normal hearing. Paper presented at the 41th German Acoustics Conference (DAGA 2015), Nürnberg
Oberfeld, D., & Klöckner-Nowotny, F.