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Kriegsverbrecherprozesse und angloamerikanische Vergangenheitspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg: zum Schutz mutmaßlicher Kriegsverbrecher durch den US-Geheimdienst (1945-1950) am Fall des SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Wolff

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2005 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 14148872
 
Der erste Waffenstillstand des Zweiten Weltkrieges in Europa, die vorzeitige Kapitulation der Heeresgruppe C in Norditalien am 2.Mai 1945, bekannt unter ihrem Codenamen ¿Operation Sunrise , hat in der Öffentlichkeit und auch in der Fachliteratur zu vielen Spekulationen über die Hintergründe dieser Kapitulation geführt. Die kürzlich freigegebenen US-Akten aus dem Bestand des CIA im National Archive in Washington, persönliche Nachlasspapiere der amerikanischen Hauptentscheidungsträger und weitere Funde, an denen die Projektbearbeiterin beteiligt war, lassen nun eine fundierte Untersuchung zu. Dabei soll nicht erneut der Ablauf der Verhandlungen betrachtet werden. Es geht vielmehr darum, anhand einer Fallstudie die politischen Hintergründe dieser Verhandlungen zu analysieren und diese als Teil der amerikanischen Vergangenheitspolitik gegenüber belasteten SS-Offizieren zu betrachten. Die beiden wichtigsten Akteure - Allen W. Dulles, späterer CIA-Chef, damals Leiter des amerikanischen Geheimdienstes OSS/Sektion Europa in Bern, und SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Wolff - stehen im Zentrum der geplanten Studie, deren Ziel es ist, die auffällige Schonung Wolffs und seines Stabes im alliierten Kriegsverbrecherprogramm nach 1945 zu erklären. Gefragt wird nach den politischen Interessen und Erwartungen, die sich mit einem Schutz Wolffs und anderer SS-Offiziere in seinem Umfeld verbanden, und wie es konkret gelungen ist, diesen Schutz zu ermöglichen. Auf dieser empirischen Grundlage soll die amerikanische Vergangenheitspolitik im Umgang mit belasteten SS-Funktionsträgern charakterisiert werden. Vorläufige Ergebnisse der bisherigen Forschungen zu diesem Projekt lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: 1. Allen Dulles stand im Zentrum eines Freundeskreises, der Einflussmöglichkeiten sowohl auf die Nürnberger Anklagebehörde als auch auf die britische Sektion der War Crimes Group besaß und Karl Wolff und Offiziere seines Stabes in den Nachkriegsjahren vor Strafverfolgung schützte. 2. Es entsprach dem Interesse der westlichen Alliierten, Karl Wolff und Offiziere seines Stabes nicht vor Gericht zu stellen, wo ihre Rolle in den Kapitulationsverhandlungen zur Sprache gekommen wäre. Wolff war nämlich in den ¿Sunrise -Verhandlungen darüber informiert worden, dass die angloamerikanischen Verbündeten eine rasche deutsche Kapitulation in Italien nutzen wollten, um den Vormarsch sowjetischer Truppen nach Westen zu begrenzen, und man hatte sein Angebot zur Unterstützung durch ausgewählte Truppen nicht zurückgewiesen - ein gravierender Verstoß gegen die Beschlüsse von Casablanca (¿bedingungslose Kapitulation ). 3. In den inneralliierten Kontroversen, wie man gegen Kriegsverbrecher vorgehen sollte, lassen sich Vorboten des Kalten Krieges erkennen, die sich im Verhalten gegenüber Wolff und Offizieren seines Stabes manifestieren. Die Fallstudie zu Wolff erlaubt Rückschlüsse auf die Politik der Führungsebene des amerikanischen Geheimdienstes und deren Einflussmöglichkeit auf andere alliierte Behörden in Nürnberg und in der Kontrollkommission in Berlin. Zudem sind neue Erkenntnisse zum ambivalenten Verhältnis der Westalliierten untereinander und mit der Sowjetunion zu erwarten. Dies lässt Rückschlüsse auf die geostrategischen Intentionen der USA sowie die Prioritäten der amerikanischen Vergangenheitspolitik zu.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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