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Evolutionäre, populationsgenomische und ökologische Mechanismen eines simultan ablaufenden Invasionsprozesses zweier nahe verwandter Fischarten (Neogobius ssp.) in der oberern Donau

Fachliche Zuordnung Evolution, Anthropologie
Förderung Förderung von 2009 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 144939855
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Studie konnte zeigen, dass sich Invasive neozoische Schwarzmeergrundeln (Teleostei: Gobiidae) in der oberen Donau in rasanter Geschwindigkeit, aber mit lokal und artspezifisch unterschiedlicher Dynamik ausgebreitet haben. Die ökologische, und die populationsgenetische Differenzierung sowie populationsgenomische Kennwerte ihres Invasionserfolges waren bisher kaum verstanden und konnten im Rahmen der ersten Projektphase charakterisiert und analysiert werden. Dabei nutzte das vorliegende Projekt modellhaft das einmalige Zeitfenster der gleichzeitigen Ausbreitung zweier Grundel-Arten (Ponticola kessleri und Neogobius melanostomus), um (1) Ausbreitungsdynamik und Populationsvernetzung beider sich in ihrer Ökologie unterscheidender Invasoren zu rekonstruieren, und um (2) ökologische und morphometrische Basisdaten für die evolutionsbiologische Analyse zu generieren. Im Vergleich invasiver Populationen der oberen Donau und Populationen aus dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet werden (3) genomische Unterschiede auf der Basis von AFLP-genome scans quantifiziert, um Daten über Umfang und Korrelationen genomischer Veränderungen im Zuge der Invasion zu erhalten. Die wichtigsten Ergebnisse sind: Sowohl N. melanostomus, als auch P. kessleri wurden als räuberische Omnivoren mit einer generalistischen Ernährungsstrategie identifiziert. Im Vergleich zeigte N. melanostomus eine breitere Nahrungsnische, eine signifikant höhere trophische Position im Nahrungsnetz und einen ausgeprägten ontogenetischen Wechsel in ihrer Ernährungsweise. Beide Arten ernährten sich v.a. von nicht nativen Organismen und scheinen daher von vorangegangenen Invasionen zu profitieren. Eine sogenannte „Invasive Front“ von N. melanostomus wurde detektiert und untersucht. Damit wurde die einmalige Gelegenheit genutzt, das sehr frühe Stadium einer biologischen Invasion zu analysieren. Höhere Kondition und geringere Investition in Reproduktion kennzeichneten die Individuen an der Ausbreitungsgrenze. Die schnelle Ausbreitung dieser global invasiven Art scheint demzufolge nicht von Abwanderung und Verdriften schwacher Individuen bestimmt zu werden, sondern von konkurrenzstarken Tieren. Des eiteren konnte die “parasite-release“-Hypothese in der fortschreitenden Grundelinvasion widerlegt werden. Ein „invasional-meltdown“-Szenario scheint wahrscheinlich. Sowohl die Analysen der Genetik, der life-history-Daten (Schuppen), als auch die geometrischen Morphometrie, zeigten lokale, kleinräumige Differenzierung der untersuchten Grundelarten. Die zeitlich später eingewanderte Art, N. melanostomus wies einen höheren Grad an Differenzierung auf. Einen entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung der Populationsstruktur scheinen anthropogen geschaffene Wanderbarrieren zu haben. Genetische, als auch life-history Merkmale korrelieren mit Unterschieden in der isotopischen Signatur von Stickstoff. Der Einfluss des Faktors Habitat auf den äußeren Körperbau der Grundeln wurde nicht in den genetischen Analysen gefunden. Dies spricht für phänotypische Plastizität bei N. melanostomus. Genetische Untersuchungen konnten artspezifische Unterschiede im Grad der Differenzierung zeigen. Die Herkunft der Invasoren in der oberen Donau wurde eingegrenzt, und in der Veröffentlichung von Lindner et al. (2013) wurde erstmals Hybridisierung zweier invasiver Fischarten gezeigt, wobei diese zum jetzigen Zeitpunkt nur geringen Einfluss auf den Invasionserfolg der Grundeln zu haben scheint. In einem weiteren Schritt wurde eine Interkalibrierung verschiedener Fangmethoden vorgenommen. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Vergleichbarkeit von Daten unterschiedlicher Studien. N. melanostomus wird als einer der gefährlichsten Invasoren weltweite angesehen und eine globale Zusammenführung und Vergleichbarkeit globaler Studien ist dabei von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen der DFG-Studie wurde 2011 erstmals die Grundelart Babka gymnotrachelus in Deutschland nachgewiesen. Untersuchungen zeigten, dass es sich bei dem Belegexemplar des bisherigen Erstnachweises um Neogobius fluviatilis handelte. Die kombinierte Analyse ökologischer, morphometrischer und genomischer Daten beider Arten unter Berücksichtigung, des Alters der invasiven Populationen, ihrer geographischer Herkunft und dem Grad der Isolation zueinander wird derzeit noch multifaktoriell ausgewertet. Die Ergebnisse dienen der Überprüfung aktueller und der Generierung neuer Hypothesen zur adaptiven, populationsgenetischen und genomischen Grundlage des Invasionserfolgs. Durch die pilotstudienartig gewonnenen RADtag-Ergebnisse in Kombination mit zukünftigen standardisierten Material- und Datenaufnahmen ist in der ersten Projektphase erfolgreich die Grundlage für wesentlich gezieltere Überprüfung einzelner Hypothesen der nächsten Projektphase gelegt worden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2011): Invasive species in Europe: ecology, status and policy. Environmental Sciences Europe 23: 1-17
    Keller R. P., J. Geist, J. M. Jeschke & I. Kühn
  • (2012): Invasive Schwarzmeergrundeln in der oberen Donau. In: Beiträge zum Erhalt der Diversität heimischer Fisch- und Muschelbestände. Schriftenreihe VDSF- Gewässerseminare (2011), 80 S.
    Brandner J., A. F. Cerwenka, U. K. Schliewen & J. Geist
  • (2012): First record of Babka gymnotrachelus (Kessler, 1857) from Germany (Teleostei, Gobiidae, Benthophilinae). Spixiana 35: 155-159
    Haertl, M., A. F. Cerwenka, J. Brandner, J. Borcherding, J. Geist & U. K. Schliewen
  • (2013): Comparative feeding ecology of invasive Ponto-Caspian gobies. Hydrobiologia 703:113-131
    Brandner J., K. Auerswald, A. F. Cerwenka, U. K. Schliewen & J. Geist
 
 

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