Demokratisierung der EU durch Einbindung der Zivilgesellschaft: die Rolle der Europäischen Kommission
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ausgangspunkt des Projekts ist die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon erneut virulent gewordene Frage, ob die Einführung partizipativer Elemente zur Demokratisierung der EU führt. Die Europäische Kommission hat in ihrem Weißbuch zum Europäischen Regieren die Einbindung der Zivilgesellschaft als probates Mittel zur besseren Legitimierung europäischer Politik propagiert und ist entsprechend aktiv geworden. Das DEMOCIV-Projekt hat den Anspruch, dass die politische Beteiligung von Interessengruppen der Gesellschaft die Demokratie fordere, systematisch untersucht: Grundlage war eine lückenlose Aufarbeitung der Beteiligungsinstrumente der Kommission, eine exemplarische Untersuchung ihres Einsatzes und ihrer Nutzung in zwei gesellschaftspolitisch zentralen Politikfeldern (Beschäftigung und Soziales; Gesundheit und Verbraucherschutz) und eine eingehende Analyse der politischen Auseinandersetzungen in den einschlägigen Online-Konsultationen der Kommission. Um den jeweiligen Beitrag zur Demokratie zu ermessen, können nicht die für den Nationalstaat entwickelten theoretischen Konzepte übertragen werden. Folglich haben wir ein eigenes theoretisches Bewertungsraster entwickelt, das den institutionellen Gegebenheiten der EU angemessen und für die empirische Forschung einsetzbar ist. Wir haben mit unseren theoretischen Überlegungen die Mehrdimensionalität der Demokratisierung reflektiert und in ein entsprechendes Analysedesign übersetzt, d.h. wir haben den Beitrag der gesellschaftlichen Verbände zur effektiven und repräsentativen Beteiligung unterschiedlicher Interessen, die verbandsinterne Kommunikation zwischen Mitgliedern und Führungspersonal, den Austausch mit einer breiteren Öffentlichkeit, den diskursiven Austrag politischer Kontroversen in den Konsultationsprozessen untersucht und damit auch einen möglichen europäischen Demokratisierungspfad aufgezeigt. Die Online-Konsultationen wurden besonders eingehend analysiert, weil sie nach allgemeiner Einschätzung das höchste Demokratisierungspotential haben. Durch die Kombination von quantitativer und qualitativer Analyse konnten wir schlüssig nachweisen, dass mit diesem Instrument eine zwar breitere aber immer noch ungleichgewichtige politische Beteiligung erreicht werden kann, dass kontroverse Auffassungen und neue Ideen eingebracht werden, deren weitere Behandlung im politischen Willensbildungsprozess jedoch wenig transparent ist und dass insgesamt wenig Ansatzpunkte bestehen, um demokratische Verantwortlichkeit einzufordern. Das Projekt zeichnet sich durch eine bisher nicht geleistete Verknüpfung von Theorie und Empirie aus: Weiterführende theoretische Überlegungen und die systematische Erfassung und Aufbereitung empirischer Daten in einer eigens geschaffenen Datenbank ermöglichten eine umfassende Analyse. Sie ergibt für die Partizipation zivilgesellschaftlicher Gruppen ein tatsächliches, wenn auch begrenztes Demokratisierungspotential und vermag in praktischer Perspektive verfahrensmäßige Verbesserungsmöglichkeiten aufzuweisen.