Detailseite
Projekt Druckansicht

Effekte der EU-Osterweiterung auf das System der deutschen Grundsicherung und den deutschen Niedriglohnsektor

Fachliche Zuordnung Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung Förderung von 2009 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 150467656
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

(1) Es wird ein theoretisches Monopolgewerkschaftsmodell angewendet, um (1) Effekte der Zuwanderung und (2) Effekte einer größeren Arbeitsmarktpartizipation von Migranten auf gleichgewichtige Beschäftigung, Löhne und Staatshaushalt zu untersuchen. Zugewanderte Arbeitskräfte unterscheiden sich ausschließlich in Hinblick auf die Höhe an Ansprüchen gegenüber dem Sozialstaat, welche sich durch die unterschiedliche Dauer der Erwerbsbiografien ergibt. In dem Modell werden versteckte Kosten und Nutzen einer verstärkten Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt identifiziert, welche durch die Gestaltung des Wohlfahrtsstaates entstehen, und können Effekte von Zuwanderung früherer Modelle reproduzieren. Es wird gezeigt, dass ein erhöhter Anteil an Migranten in der Erwerbsbevölkerung das Beschäftigungsniveau der Ökonomie erhöht, wenn die Gewerkschaft die Interessen der Zuwanderer mit berücksichtigt. Im Gegensatz dazu reduziert ein höherer Anteil an Migranten die gleichgewichtige Beschäftigung, wenn die Gewerkschaft ausschließlich die Interessen der nicht zugewanderten Arbeitskräfte in den Lohnverhandlungen repräsentiert. (2) Nach der Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für osteuropäische Arbeitskräfte im Jahr 2004 wurde von einigen Ökonomen erwartet, dass sich in Hinblick auf die sozialstaatliche Absicherung in den EU-15-Staaten eine Abwärtsspirale entwickelt. Als Grund dafür wurde genannt, dass potenzielle Zielländer verhindert wollten, zu „Wohlfahrtsmagneten“ zu werden. In den Daten der OECD lässt sich allerdings keine Evidenz dafür finden, dass diese Abwärtsrennen („race to the bottom“) in der sozialstaatlichen Absicherung in den EU-15-Staaten infolge der EU-Osterweiterung stattgefunden hat. Basierend auf Daten der europäischen Arbeitskräfteerhebung (EU-LFS) werden zunächst die Determinanten der Migrationsentscheidung geschätzt. Hauptergebnis ist, dass das Niveau der sozialstaatlichen Absicherung keinen statistisch signifikanten Effekt auf die Migrationsentscheidung und somit auch auf die Migrationsströme hat, wenn für die Anwendung von Übergangsbestimmungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit kontrolliert wird. Damit wird begründet, dass der Abwärtsdruck auf Wohlfahrtsstaaten nach 2004 vergleichsweise gering war. Empirische Evidenz wird hingegen für die Hypothese gefunden, dass die temporären Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit die Migrationsanreize durch gute Beschäftigungslage in den Zielländern reduzierten. (3) In einem gemeinsamen EU-Arbeitsmarkt wird die grenzüberschreitende Verteilung von migrantischen Arbeitskräften nicht mehr durch nationalstaatliche Immigrationspolitik, sondern durch die ökonomischen und sozialen Bedingungen in Herkunfts- und Zielländern, die die individuellen Migrationsentscheidungen beeinflussen, determiniert. Gemäß dem Roy-Borjas-Modell (1987) gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Humankapitalentlohnung in einem Zielland und dem Qualifikationsniveau von zugewanderten Arbeitskräften. Basierend auf Daten der europäischen Arbeitskräfteerhebung von 2004 bis 2011 wird gezeigt, dass Migranten aus EU-Staaten in den meisten EU-15-Zielländern ein überdurchschnittlich hohes Qualifikationsniveau relativ zu ihrer Herkunftsregion aufweisen. Die Ergebnisse der Analyse der Determinanten dieser Selbst-Selektion untermauern die theoretischen Implikationen, die sich aus dem Roy-Borjas-Modell ergeben, wenn andere Faktoren wie Sprachen, Netzwerke und Beschäftigungsmöglichkeiten in der Modellierung berücksichtigt werden. Allerdings erklärt die Einkommensungleichheit in den Zielländern, welche als Proxy für die Humankapitalentlohnung verwendet wird, einen geringeren Anteil der Varianz der Selbst-Selektion als die absolute Höhe des durchschnittlichen Nominallohnes im Zielland.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Labor market effects of low-skilled migration into two-tier welfare systems. European Economics and Finance Society (EEFS), Konferenz, London; 11.06.2011
    Christoph Skupnik
  • Labor market integration of migrants: Hidden costs and benefits in two-tier welfare states. Jahrestagung der Association Francaise des Sciences Economiques (AFSE), Paris; 02.07.2012
    Christoph Skupnik
  • ”Welfare magnetism” in the EU-15? - Why the EU enlargement did not start a race to the bottom of welfare states. European Society for Population Economics (ESPE), Aarhus; 14.06.2013
    Christoph Skupnik
  • (2014): “EU enlargement and the race to the bottom of welfare states”, IZA Journal of Migration 3:15, S. 1-21
    Skupnik, Christoph
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s40176-014-0015-6)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung