Intermediale Szenographie. Raum-Ästhetiken des Theaters am Beginn des 21. Jahrhunderts.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Seinen Ausgang nahm das Forschungsprojekt von der Beobachtung, dass das Theater, in seinen Spielarten als ›Raumkunst‹, um die Jahrtausendwende eine bemerkenswerte Ausdifferenzierung erfährt: Angesichts des jüngsten Medienumbruchs (allgemeine Verbreitung und Gebrauch von Digitalmedien und Internet) erkundet es vermehrt Räume, die ihm eigentlich fremd sind. Im Spannungsfeld zwischen Bühne, dem ›Realraum‹ sowie virtuellen oder auch telematischen Räumen werden, vermittels experimenteller Raumbildungsverfahren, neue Relationen erforscht: sei es im kaleidoskopischen Zusammenspiel des Theaters mit Räumen von TV und Film oder ›verschaltet‹ mit den Chaträumen einer (im Alltag längst omnipräsent gewordenen) Telekommunikation und den Netzwerken und Online-Zonen des Internet. Ein breites Spektrum experimenteller Spielarten zeichnet sich ab, mit denen Theater andere Medien in sich integriert – und dies nicht nur (bzw. nicht in erster Linie), um sie als Gestaltungsmittel effektvoll einzusetzen, sondern um sie intermedial zu exponieren, zu reflektieren, zu erforschen und künstlerisch zum Thema zu machen. Eine szenographische Praxis zeichnet sich ab, die bisher gezogene ästhetische Rahmen des Theaters erweitert, heterogene Räume konfiguriert und mithin dabei erkennbar über sich selbst reflektiert (›Metaszenographie‹). Zielsetzung: Die am Beginn des 21. Jahrhunderts erkennbar werdende Vielfalt künstlerischer Raumentwürfe untersucht das Forschungsprojekt als Ästhetik des Raums, deren Spektrum – in einer Reihe von Analysen signifikanter Projekte – unter dem Leitbegriff Intermediale Szenographie entfaltet wird; Berücksichtigung finden dabei v.a. Arbeiten von Penelope Wehrli, Bert Neumann, Rimini Protokoll/Stefan Kaegi und Christopher Kondek. Zentrales Ziel des Projekts ist die Befragung und Revision der bisher geltenden theaterwissenschaftlichen Kategorie ›Raum‹: Anschlüsse der Theaterwissenschaft an die neuere kulturwissenschaftliche Diskussion um den Raum (Spatial turn) galt es zu erarbeiten; bereitgestellt werden soll damit erstmals ein Ansatz zur Analyse intermedialer Szenographie, das einen differenzierenden Blick auf Spielarten eines Theaters ›zwischen den Räumen‹ ermöglicht. Bei der Ausarbeitung lag der Schwerpunkt auf folgenden Punkten: • Diskussion von Anschlüssen zwischen Intermedialitätsforschung und Szenographie-Diskurs • Revision der Definition des Theaters als ›Raumkunst‹, damit verbunden Revision des Szenographie-Begriffs: Szenographie als Ausstattung, visuelle Kunst bzw. gar Bühnenbild (gemäß älterer Definitionen) vs. Szenographie, verstanden als Raumgestaltung/Konfiguration ästhetisch komplexer Räumlichkeit; Vergleich und Diskussion: gattungs-/medienspezifischer vs. transdisziplinärer Szenographie-Begriff; Szenographie als ›Dispositiv‹ (in Anschluss an P.Pavis) und als ›Metaszenographie‹ (Scorzin) • Entwicklung eines elaborierten Ansatzes zur Analyse intermedialer Szenographien (bislang ein Desiderat) • Durchführung exemplarischer Analysen; Auswertung: Überlegungen zum szenographischen Spektrum, Diskussion und Bereitstellung des erarbeiteten begrifflichen ›Werkzeugkastens‹.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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»Christopher Kondek: ›Dead Cat Bounce‹ (2005)«, in: Sarah Bay-Cheng, Chiel Kattenbelt, Andy Lavender, Robin Nelson (Eds.): Mapping Intermediality and Performance. [=Publikation der Working Group »Intermediality«, FIRT/IFTR-International Federation for Theatre Research]. Amsterdam: University Press 2010, 89-96
Birgit Wiens
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»Modular Settings and ›Creative Light‹: The Legacy of Adolphe Appia in the Digital Age«, in: International Journal of Performance Arts and Digital Media. Vol. 6, Nr. 1 (2010): Alternative Materialities: Scenography in Digital Performance, ed. by Nick Hunt, 25-40
Birgit Wiens
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»Szenographie als Arabeske«, in: Kati Röttger (Hg.): Welt-Bild-Theater, Bd. 2: Bilddramaturgien: Körper, Raum, Bewegung. [=Publikation zur 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Theaterwissenschaft Orbis Pictus – Theatrum Mundi]. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag 2011, 267-280
Birgit Wiens
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»Subjektkonstitution in vernetzten Systemen« [Zu Toni Dove’s Projekt »Lucid Possession«], in: Friedemann Kreuder et al. (Hg.): Theater und Subjektkonstitution. [=Publikation zur 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Theaterwissenschaft Theater und Subjektkonstitution | Theatre and the Making of Subjects]. Bielefeld: Transcript 2012, 727-738
Birgit Wiens
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Intermediale Szenographie. Raum-Ästhetiken des Theaters am Beginn des 21. Jahrhunderts. LMU München, Habilitationsschrift
Birgit Wiens
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»Theaterszenografie, ›Phänomenotechnik‹ und die Multimodalität räumlichen Wahrnehmens, am Beispiel von Gisèle Viennes Projekt ›This is how you will disappear‹«, in: Inszenierung und Effekte. Die Magie der Szenografie. Hg. von Ralf Bohn und Heiner Wilharm. Bielefeld: Transcript 2013, 87-102
Birgit Wiens