Die Rekonstruktion des "traditionellen" politischen Gemeinwesens in Indonesien: der Wiederaufbau des Sultanats von Jailolo (Halmahera).
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Verlauf dieses Projekts wurde die Revitalisierung des Sultanats Jailolo erstmalig einer umfassenden ethnologischen Analyse unterzogen. Dieses Sultanat, das sich in dem Regierungsbezirk West Halmahera in den Nord Molukken befindet, wurde im Jahr 2003 wieder errichtet und ein neuer Sultan inauguriert. Jailolo ist Teil einer sozial-kosmologischen Konstruktion, die sich aus vier Sultanaten zusammensetzt und von der Bevölkerung Moloku Kie Raha - die „Vier Berge der Molukken“ - genannt wird. Im Vordergrund der Forschung standen die mythischen, ethnohistorischen und aktuellen sozial-politischen Diskurse, in denen die Revitalisierung artikuliert und legitimiert wird sowie die Implikationen, die eine solche Reetablierung birgt. Die Forschung identifiziert die komplexen Zusammenhänge von ökonomischen, politischen, juristischen und sozial-kulturellen Faktoren, welche die Dynamik dieser Revitalisierung bestimmen. Ausgangspunkt der Untersuchung war die sozial-politische Situation in Indonesien seit 1999. Nach dem Sturz Suhartos, Indonesiens Präsident von 1966- 1998, wurde das ehemals stark zentralistisch regierte Indonesien innerhalb weniger Jahre zu einem weitgehend dezentral verwalteten Staat. Gesetze wurden erlassen, die den Provinzen und Distrikten in administrativer, fiskalischer und politischer Hinsicht eine Autonomie verliehen. Während die Nord Molukken 1999 zu einer eigenständigen Provinz deklariert wurden, haben diese Reformen die Konkurrenz um natürliche, finanzielle und machtpolitische Ressourcen zwischen Regierungsbezirken und politischen Entscheidungsträgern neu entfacht. Im Kontext dieser Prozesse, die oftmals von aggressiven Nebenerscheinungen begleitet wurden, wurden drei der vier Sultanate wiedererrichtet. Das Sultanat Ternate war bereits 1986 neu etabliert worden. Wie erwartet, ist eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und den Amtsinhabern des neuen Sultanats bzw. denselben als zugleich staatlichen Beamten zu beobachten. ‚Tradition‘ (adat) kann in diesem Zusammenhang als Strategie verstanden werden, um machtpolitische und natürliche Ressourcen zu akquirieren. Überraschend war, wie präsent jene lokalen Vorstellungen von Souveränität sind, die sich nicht ausschließlich auf machtpolitische und ökonomische Interessen beziehen. Um Souveränität beanspruchen zu können, müssen die mythischen Grundpfeiler errichtet werden, die als solche synonym für die gesamte Provinz der Nord Molukken stehen. Diese Ergebnisse sind von erheblicher Relevanz für weitere sozialanthropologische, politikwissenschaftliche und religionswissenschaftliche Forschungen in der Region. Da sich die Situation auf den Nord Molukken nach wie vor als potentiell explosiv beschreiben lässt, sollte der Forschungsansatz auch in anderen Regionen (Ost-) Indonesiens weiter verfolgt und auf die Beziehung zwischen christlicher und muslimischer Bevölkerung und der Kompatibilität von nationalstaatlichen Modellen und lokalen Konstruktionen von Souveränität und Herrschaft untersucht werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“Pemekaran in the North Moluccas: Redrawing district borders and the sense of belonging to the land”, Konferenz: Transforming the margins: Contesting and reformulating center-periphery relations in Post-Suharto Indonesia, Köln 31.1. - 2.2.2013
Kirsten Jäger
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„Die Revitalisierung von ‚traditionellen‘ politischen Systemen in Indonesien in der Post-Suharto-Ära“, Deutsche Orientalistentage Münster, 23.9.- 28.9.2013
Kirsten Jäger