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Olympia Munich 1972 - Architecture, landscape and image of the Federal Republic of Germany in context of the sixties and the early seventies

Subject Area Architecture, Building and Construction History, Construction Research, Sustainable Building Technology
Term from 2010 to 2015
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 151840046
 
Final Report Year 2016

Final Report Abstract

Die Arbeit hat durch die „interne Sicht“, die genealogische Perspektive neue Bedingungen und Kriterien aufgezeigt, unter denen herausragende Baukunst, hier unter dem Aspekt einer Architektur für die Demokratie, entstehen konnte. Ebenso sind die Hintergründe für den entstandenen Qualitäts- und Innovationsschub deutlich geworden. Viele der wichtigen Planer gehörten der skeptischen Generation an und haben die neue Staatsform und die gesellschaftspolitische Aufbruchstimmung der späten 1960er Jahre als Befreiung, als Identifikationsmerkmal einer modernen Gesellschaft und als soziale Handlungsanweisung begriffen. Dieser Hintergrund diente als Motivation, für ihren jeweiligen Bereich eine gestalterische Sprache und eine visuelle Ausdrucksmöglichkeit zu finden, um demokratische Grundwerte wie Freiheit, Mitsprache und soziale Gerechtigkeit auch als sichtbare Form in der Architektur zu verankern und damit einen Beitrag zur Reformierung der Gesellschaft zu leisten. Die in der Zeit verwurzelten, sehr ähnlichen politischen und architektonischen Visionen führten zu einem gemeinsamen Denkraum, einer „Denkstilgemeinschaft“ (Fleck), sodass im Bewusstsein gleicher Zielsetzungen, einer gemeinsam getragenen politisch motivierten Gestaltungsvision die verschiedenen Kompetenzen und Fähigkeiten gebündelt und weiterentwickelt werden konnten. Durch die konsequente Beibehaltung der „Uridee“ (Fleck), des Konzeptes von Aicher und Behnisch, im Verlauf der Planung konnten die Entscheidungen für oder gegen Teilprojekte, Ausführungsdetails und -formen oder Materialien trotz vieler Widerstände, anders gerichteter Interessengruppen und Versuchen einer Verwässerung in großen Teilen durchgehalten werden. Im Gegensatz dazu hat sich bei den untersuchten Kunstprojekten gezeigt, dass die nicht gleich gerichteten Ziele, unterschiedlichen Verständnisebenen zwischen den Entscheidungsgremien sowie Architekten und Künstlern mit wenigen Ausnahmen zu keinen herausragenden Arbeiten geführt und aus heutiger Sicht wichtige Projekte verhindert haben. Festzuhalten ist, dass der von den unterschiedlichen Personen geformte und getragene gemeinsame Denkraum und die zielbewusste Fortschreibung des ursprünglichen Konzeptes entscheidende Faktoren waren, dass technische Innovationen entwickelt und Gestaltungsideen in dieser Konsequenz umgesetzt werden konnten. Ebenso wichtig war, dass die „Uridee“ keine von Anfang an determinierte Lösung war, und dass allen Akteuren genug Gestaltungsspielraum für die Entwicklung eigener Ideen eingeräumt wurde. Diese Freiheit innerhalb des eng vernetzten Teams hat herausragende Ergebnisse evoziert. Der gegenseitige, offene Austausch von Lösungen und Positionen, aber auch die zahlreichen Auseinandersetzungen um kritische Reibungspunkte haben Kompromisse ermöglicht und erkenntnisdynamische Prozesse ausgelöst, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass technische Innovationen und herausragende baukünstlerische Leistungen entstehen konnten. Die Olympiabauten waren das Schlüsselwerk für mehrere Beteiligte. Die Folgewirkungen dieses offenen Prozesses sind insbesondere im Werk von Günter Behnisch zu verfolgen, der in diesem weitgefassten situativen Denken seine Architektur als antizipatorischer Übermittler demokratischer Inhalte verstand und insbesondere im Bereich der Schulbauten internationale Auswirkungen bis heute hat. Ebenso haben Jörg Schlaich und Klaus Linkwitz ihre weitere sehr erfolgreiche Arbeit auf den hier entwickelten ingenieurtechnischen Leistungen aufgebaut. Nicht das Dach als Ganzes sondern viele der entwickelten Details fanden in zahlreichen Ingenieurbauwerken ihre Anwendung. Otl Aichers ganzheitliches Erscheinungsbild wurde auch international zum Modell für authentische Kommunikationsphilosophie und Basis vieler weiterer, herausragende Projekte. Neben diesen aus dem menschlichen Handeln entstandenen Gestaltentscheidungen haben auch die während der Ausführung sich ergebenden bautechnischen Einschränkungen, Vorschriften, Entscheidungsstrukturen und weitere objektive Bedingungen ihre direkte Auswirkung auf die gebaute Form (Stützen, Form der Abspannungen, Gussteile, Dachstruktur u.a.) gezeigt. Mit der genetischen Perspektive konnte gezeigt werden, dass Kennzeichen für demokratische Architektur sich in ihren Entstehungsprozessen finden lassen und unter welchen Bedingungen Bauen sich zu einer spezifischen Ausformung demokratischen Handelns entwickeln kann. Sie ermöglicht damit einen neuen Zugang, ein dynamisches „Bewegungsmodell“ zur Beschreibung von demokratischer Architektur. „Olympia München – Heiterkeit und Freiheit im Grünen“ - Elisabeth Spieker vom Südwestdeutschen Archiv für Architektur in Ingenieurbau in Karlsruhe stellt ihr Forschungsprojekt vor, in: „München exclusiv“, Ausgabe 2014, S. 12-15

Publications

  • Günter Behnisch – Die Entwicklung des architektonischen Werkes. Gebäude, Gedanken und Interpretationen. Dissertation Universität Stuttgart 2005
    Spieker, Elisabeth
  • Die Planung des Olympiadaches in München – Fritz Leonhardts Mitwirkung und Impulse, in: Kleinmanns, Joachim; Weber, Christiane: Fritz Leonhardt 1909–1999. Die Kunst des Konstruierens. Stuttgart/London 2009, S. 118-125
    Spieker, Elisabeth
  • „Es muss doch nicht unbedingt immer ein Haus werden!“ Rolf Gutbrods Spuren im Werk von Günter Behnisch, in: Philipp, Klaus Jan (Hg.): Rolf Gutbrod. Bauen in den Boomjahren der 1960er, Salzburg/Wien 2011, S. 122-139
    Spieker, Elisabeth
  • Spielräume der Freiheit: Architektur als konkrete Phantasie. Die Moral des Architekten, in: Standpunkte der Ethik. Lehrerband, Braunschweig/Paderborn/Darmstadt 2012, S. 70-71
    Spieker, Elisabeth
  • Das ‚Modell Deutschland’ 72 – Dach und Landschaft von Behnisch & Partner als gebaute Utopie, in: Hennecke Stefanie u.a. (Hg.): Demokratisches Grün Olympiapark München, Berlin 2013, S. 38-51
    Spieker, Elisabeth
 
 

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