Ein Vergleich der politischen Ethik der "neuen Evangelikalen" in den Vereinigten Staaten von Amerika mit der politischen Ethik der "Lausanner Bewegung" in Deutschland
Final Report Abstract
Das Projekt hat zwei evangelikale Gruppierungen verglichen, die einerseits in ihrer jeweiligen kulturellen und politischen Tradition agieren, andererseits aber auch innerhalb der internationalen evangelikalen Bewegung zusammenarbeiten. Die amerikanischen New Evangelicals haben sich insbesondere als Gegenbewegung zur „religiösen Rechten“ in den USA herausgebildet, die Evangelikalen in Deutschland – vor allem vertreten durch die Lausanner Bewegung und die Evangelische Allianz – sind in Abgrenzung zur Evangelischen Kirche Deutschlands entstanden, arbeiten aber dennoch punktuell mit dieser zusammen. Beide Bewegungen sind soziale Bewegungen, wollen politischen Einfluss ausüben, haben dezidierte politische Einstellungen herausgebildet und suchen Wege, sich Gehör zu verschaffen. Maßgeblich unterscheiden sie sich in der Art und Weise der politischen Einflussnahme. Agieren die amerikanischen New Evangelicals vornehmlich unabhängig vom Staat und nach einer „do-it-yourself-Mentalität“, so sind die deutschen Evangelikalen sehr viel mehr auf staatliches Handeln fokussiert. Für diese Analyse wurden Publikationen ausgewertet, teilnehmende Beobachtungen auf evangelikalen Veranstaltungen unternommen und Leitfadeninterviews mit führenden Evangelikalen durchgeführt. Die New Evangelicals haben den Fokus ihres politischen Engagements erweitert und konzentrieren sich nicht mehr ausschließlich auf Themen der Familienpolitik. Themen wie Klimaschutz, Bekämpfung weltweiter Armut und soziale Gerechtigkeit spielen vermehrt eine Rolle. Die deutschen Evangelikalen sind dagegen weiterhin auf Themen der Familien-, Bildungs- und Religionspolitik fokussiert; wirtschafts- oder umweltpolitische Themen gewinnen nur langsam an Bedeutung. Die Festlegung oder Bindung an eine Partei wird auf deutscher wie auf amerikanischer Seite abgelehnt, dagegen werden themenspezifische Kooperationen eingegangen. Weitverzweigte Netzwerke in politische Strukturen wurden aufgebaut und stetig erweitert. Die Nutzung traditioneller und neuer Medien wird intensiv betrieben, um verschiedene Zielgruppen und möglichst viel Aufmerksamkeit zu gewinnen. Beide Gruppierungen bekennen sich zum demokratischen Rechtsstaat, in dem sie agieren und lehnen gewalttätige Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele ab. Sie sind insofern nicht als fundamentalistisch zu bezeichnen. Beide Gruppierungen sind von der jeweiligen religionskulturellen Tradition geprägt. Hinzu kommen außerdem regionale Prägungen, die die Gruppierungen innerhalb des nationalen Kontexts differenzieren. Die Ergebnisse dieses Projekts erweitern den Forschungsstand nicht nur um Kenntnisse des politischen Agierens der untersuchten evangelikalen Gruppierungen, sondern geben auch Aufschlüsse darüber, wie international vernetzte Bewegungen in den unterschiedlichen nationalen Kontexten agieren. Die kulturellen Voraussetzungen in denen die Evangelikalen agieren bestimmen ihr Vorgehen maßgeblich und sie sind mehr von ihren nationalen Traditionen und regionalen Prägung bestimmt als durch die internationale Zusammenarbeit beeinflusst. Auf internationalen Treffen der evangelikalen Bewegung, ist eine Dominanz der US-amerikanischen Evangelikalen zu beobachten, der von deutscher Seite zunehmend kritisiert wird. Beide Gruppierungen agieren in den jeweiligen Gesellschaften in den dafür vorgesehenen Strukturen und versuchen Politik und Gesellschaft ebenso zu beeinflussen, wie andere Wertesysteme es auch tun.