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Kinetik der fest/flüssig Lötreaktion

Fachliche Zuordnung Mechanische Eigenschaften von metallischen Werkstoffen und ihre mikrostrukturellen Ursachen
Förderung Förderung von 2006 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 15478680
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt zielte auf ein wissenschaftliches Verständnis von Lötverbindungen. Hinreichend feste Verbindungen kommen in der Regel durch eine chemische Reaktion an der Grenzfläche zwischen festem Substrat und flüssigem Lot zustande. Die mikrostrukturelle Entwicklung des Reaktionsproduktes, welches in einer zäpfchenartigen Morphologie entsteht, sollte beschrieben und die wesentlichen Faktoren für Morphologie und Reaktionskinetik identifiziert werden. Vor Beginn des Projektes war in der Literatur ein neuer Modellansatz zur Beschreibung der Reaktionskinetik berichtet worden, der durch geeignete Experimente geprüft werden sollte. Ausgangspunkt dieser Theorie war die Annahme von flüssigen Kanälen, die den schnellen Transport der Reaktionspartner über die Produktschicht hinweg erlauben würden. Es sollte geprüft werden, ob diese Kanäle durch Pre-Deposition einer glatten Schicht des Reaktionsproduktes „verstopft“ werden könnten, um ein langsameres Phasenwachstum zu erreichen. So wurden in dem Projekt die Lötreaktion zwischen Cusolid/Sn(Pb)liq, Nisolid/Sn(Pb)liq und Cusolid/Sn(AgCu)liq mittels analytischer Elektronenmikroskopie untersucht. Die Grenzflächenspannung (Adhäsionsenergie) von Sn(Pb)-Loten auf Kupfersubstraten wurde quantitativ bestimmt durch die gleichzeitige Messung der Oberflächenspannung des Lotes und der Benetzungswinkel des Lottropfens auf der Unterlage. Die mechanischen Eigenschaften von Cu/Sn(AgCu) Verbindungen wurden im Vergleich zu herkömmlichen Cu/Sn(Pb)-Loten charakterisiert. Weiterhin wurde der Einfluss von Oxidschichten und deren Beseitigung durch Ameisensäuredampf in Grundlagenuntersuchungen aufgeklärt. In allen getesteten Kombination von Substraten und Loten wurde in den mikroskopischen Untersuchungen des erstarrten Zustands Tripelpunkte zwischen den postulierten flüssigen Kanälen und Korngrenzen innerhalb der intermetallischen Produktphasen beobachtet. Diese Beobachtung und das indirekte Indiz bleifreier Korngrenzen im Falle der SnPb Lote zeigen, dass die in der Literatur angenommenen flüssigen Kanäle nicht durch die ganze intermetallische Schicht hindurch reichen. Mithin wird das Wachstum der intermetallischen Produktphase nicht durch die schnelle Diffusion in der Schmelze sondern durch die langsamere Korngrenzdiffusion kontrolliert. Aufgrund der sehr hohen Triebkräfte der Reaktion reicht die Korngrenzdiffusion jedoch aus, um das schnelle Wachstum zu verstehen. Eine fundamentale Annahme des „Flux-Driven-Ripening“-Modells ist also offensichtlich verletzt. Es war deshalb nicht mehr überraschend dass auch die in unseren Experimenten zu Sn/Ni gemessenen Größenverteilung der intermetallischen Körner nicht mit den Vorhersagen dieses Modells übereinstimmten. Im Lichte unserer Experimente muss deshalb dieses Modell in seiner Allgemeingültigkeit verworfen werden. Die Stabilität der Kanäle wird insbesondere durch die Grenzflächenspannung zwischen dem Lot und dem Reaktionsprodukt kontrolliert. Um diese Spannungen zu bestimmen wurden erstmals die Oberflächenspannung und der Kontaktwinkel in-situ unter Ameisensäureatmosphäre gemessen. Es zeigt sich, dass beide Parameter sehr stark von der Zusammensetzung des Sn(Pb) Lotes abhängen, aber die sich daraus ergebende Adhäsionsenergie des flüssigen Lotes auf der Unterlage nur in Stufen mit dem Bleigehalt variiert. Wir konnten nachweisen, dass diese Stufen mit einer unterschiedlichen Stapelung der intermetallischen Produktphasen in der Reaktionszone zusammenhängen und so ein aktuelles Modell von Eustathopoulos zur reaktiven Benetzung bestätigen. An unseren Untersuchungen wird insbesondere deutlich, dass der in der Technik oft als Maß für eine zuverlässige Lötung herangezogene Kontaktwinkel nur indirekte Informationen liefert. Zeigt dieser doch eher eine geringe Oberflächenspannung des Lotes denn eine gute Adhäsion an. Mit etwa 1000 mJ/m2 sind die gemessenen Grenzflächenspannungen zwischen flüssigem Lot und intermetallischer Phase in jedem Fall so groß, dass auch von dieser Seite betrachtet eine vollständige Benetzung der Korngrenzen mit flüssigen Kanälen nicht möglich erscheint. Die spezifische Korngrenzenergie müsste dazu mehr als doppelt so groß sein als die ermittelte Grenzflächenspannung, da bei Benetzung die Korngrenze durch zwei fest/flüssig Grenzen ersetzt wird. Die Versuche, die Wachstumsrate der intermetallischen Phase durch dichte Zwischenlagen von Cu6Sn5 zu reduzieren, schlugen fehl, da die Phase sich zu schnell in die kupferreichere intermetallische Phase Cu3Sn umwandelt. Auf dieser modifizierten Unterlage erfolgt das Wachstum dann sogar schneller als auf reinen Cu-Substraten. Die mechanischen Untersuchungen zeigen, dass die bleifreie Alternative Sn(CuAg) den bleihaltigen Loten Sn(Pb) in der maximalen Festigkeit sogar überlegen ist. Das im Rahmen des Projektes entwickelte und erfolgreich angewendete Verfahren zur Bestimmung der Adhäsionsspannung in einer Ameisensäureatmosphäre funktioniert so gut und exakt, dass wir es in Zukunft für eine ganze Reihe neuer Untersuchungen verwenden wollen. Da sich die Ameisensäure in einem weiten Temperaturbereich viel variabler als andere gängige Flussmittel einsetzen lässt, wollen wir dies in Zukunft insbesondere zur Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Adhäsionsspannung ausnutzen und diese für die gängigen Lote und Metallisierungen erstmals bestimmen. Entsprechend unserer Ausgangshypothese, dass die Grenzflächenspannung die Gestalt der intermetallischen Produktphase kontrolliert, könnte damit die Grundlage gelegt werden, um die Temperaturabhängigkeit der Zäpfchenmorphologie der intermetallischen Phase zu verstehen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 'Quantitative Comparison of Energyfiltered Transmission Electron Microscopy (EFTEM) and Atom Probe Tomography (APT) Measurements of Cr/Fe multilayers', Ultramicroscopy 109 (2009) 612
    P. Stender, T. Heil, H. Kohl, and G. Schmitz
  • ‘Influence of Oxide Layers on Solder Interconnects’, J. Alloy Compounds 490 (2010) 336-341
    J. Görlich, C. Oberdorfer, D. Baither, G. Schmitz, C. Reinke, U. Wilke
  • ‘Microscopic study of Ni/Sn solder reaction’, Acta Mater. 58 (2010) 3187–3197
    Jens Görlich, Dietmar Baither, and Guido Schmitz
 
 

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