Förderung und Entwicklung reflektierten Geschichtsbewusstseins durch Richtlinien und Lehrpläne für den Geschichtsunterricht in Europa
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Fasst man die bislang erzielten Befunde zusammen, so ließen diese feststellen, dass das historische Lernen in den in die Analyse einbezogenen Regionen gemäß Richtlinien und Lehrplänen in ausgesprochen unterschiedlicher Form vonstatten gehen soll. Dabei erweisen sich nicht zuvörderst die Staatsgrenzen als Scheidelinien. Vor allem in den genauer in Augenschein genommenen Richtlinien und Lehrplänen in der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich, dass trotz eines bundeseinheitlichen (d.i. nicht einförmigen) geschichtsdidaktischen Diskurses die Konzeptionen und Zielperspektiven divergieren: stofflastigen, auf die Anhäufung von Sachwissen ausgerichteten (z.B. Sachsen) stehen formal strukturierte, auf die Förderung historischen Denkens bedachten Richtlinien (NRW) gegenüber. Der geschichtsdidaktische Diskurs hat trotz des teilidentischen geschichtskulturellen Kontextes erheblich unterschiedliche Aufnahme gefunden. Die Ausrichtung an bundeseinheitlichen Standards würde eine Homogenisierung der Lehrplanlandschaft zur Folge haben müssen, zumal bislang nur wenige Curricula existieren, die sich an der aktuellen, kompetenz- und standardorientierte Debatte innerhalb der Bildungspolitik, Pädagogik und Geschichtsdidaktik orientieren. Trotz der oben skizzierten Anknüpfungsmöglichkeiten in Belangend er Kompetenzorientierung ist der Weg zu einem geschichtsdidaktisch fundierten Kerncurriculum noch weit. Was Verfahren der Richtlinien- und Lehrplananalyse anbetrifft, so zeigt das Projekt, das diese Textgattung sich einer kategorialen Inhaltsanalyse wegen ihres häufig lakonischen Duktus nur schwer angemessen erfassen lässt. Das rechnergestützte Codierverfahren weist - wie dargelegt - eine Reihe von verfahrensimmanenten Gefahren auf, die der hermeneutischen Auswertungsweise als nicht ebenbürtig erscheinen lässt. Im Rahmen des noch unabgeschlossenen Projekts wurde in keiner Phase darauf verzichteten, der rechnergestützten eine hermeneutische Analyse zur Seite zu stellen. Inwiefern sich aus den noch unabgeschlossenen Analysen Hinweise auf eine adressatengerechte und geschichtsdidaktisch fundierte Konzeption von Kerncurricula für den Geschichtsunterricht ergeben, bleibt abzuwarten. Zu erheben ist im Rahmen dieser Frage insbesondere, inwieweit herkömmliche Lehrplantraditionen beibehalten werden können, da neue Curriculumformen, die weitere Freiräume eröffnen und eine angemessene Umsetzung in Schulcurricula erfordern, zur Voraussetzung haben, dass sie für die potenziellen Anwender verständlich und anwendbar sind. In summa haben weniger die inhaltlichen Fragestellungen überraschende Ergebnisse zutage gefördert, sondern vor allem die Methodenprüfung, lassen vornehmlich Gefahren, weniger Vorzüge der Anwendung einer rechnergestützten Inhaltsanalyse für die Richtlinien- und Lehrplananalyse erkennen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Denkform Kirchengeschichte - oder: Geschichte einer Wallfahrt, in: Kontakt 2/2003, S. 6-14
W. Hasberg
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Die heuristische Wendung der Kategorien - oder: Vom Theoriegerüst zur Vernetzung, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 2 (2003), S. 38-44
W. Hasberg, A. Körber
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Geschichtsbewusstsein dynamisch, in: Körber, Andreas (Hg.): Geschichte - Leben - Lernen (Forum Historisches Lernen) (Fs B. v. Borries), Schwalbach/Ts. 2003, S. 177-200
W. Hasberg, A. Körber
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Kategoriale Richtlinien- und Lehrplananalyse. Ziele - Methoden - Fallbeispiele, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 2 (2003), S. 51-68
W. Hasberg
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Kulturvergleichende Richtlinienanalyse. Triangulation als Notwendigkeit und Weg, in: Handro, Saskia/Schönemann, Bernd (Hgg.): Geschichtsdidaktische Lehrplanforschung. Methoden - Analysen - Perspektiven (Zeitgeschichte - Zeitverständnis, Bd. 12), Münster 2004, S. 27-50
W. Hasberg
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Von PISA nach Berlin. Skizze eines dilatorischen Umwegs bei der Suche nach Kompetenzen und Standards für den Geschichtsunterricht, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 56 (2005), S. 684-702
W. Hasberg
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Lehrplangesteuerte Binnendifferenzierung der Sekundarstufe I im Fach Geschichte, in: Erdmann, Elisabeth/Maier, Robert/Popp, Susanne (Hgg.): Geschichtsunterricht international. Bestandaufnahme und Visionen (Studien zur internationalen Schulbuchforschung, Bd. 117), Hannover 2006, S. 115-136
W. Hasberg
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Das Mittelalter als christlich-kirchliche Zeit? Religion und Kirche in der Darstellung des Mittelalters, in: Clauss, Martin/Seidenfuß, Manfred (Hgg.): Das Bild des Mittelalters in europäischen Schulbüchern (GVG, Bd. 5), Berlin 2007, S. 193-224
W. Hasberg