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Verbsemantik und Argumentstruktur, Valenzwörterbuch der ladakischen Verben

Antragstellerin Dr. Bettina Zeisler
Fachliche Zuordnung Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 157090814
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ladakische ist eine tibetische Sprache, die in Nordindien (Jammu & Kashmir) gesprochen wird. Sie besteht aus zwei Hauptdialektgruppen: Shamskat (Unterladakh: Sham, Purik, Nubra) und Kenhat (Oberladakh: Leh, oberes Industal, Gya-Miru, Zanskar und Changthang), die sich in ihrer Grammatik deutlich unterscheiden, insbesondere auch hinsichtlich der verbabhängigen Kasus. Die Grammatik des klassischen Tibetischen und der modernen tibetischen Sprachen ist bislang nur recht oberflächlich untersucht. Die ladakischen Dialekte sind kaum dokumentiert. Ziel des Projektes war, für jeweils einen repräsentativen Dialekt aus den beiden Dialektgruppen, nämlich Domkhar für Shamskat und Gya für Kenhat, die Verben zu erfassen und die jeweilige Valenz sowie den Kasusrahmen und deren Bezug zur Verbsemantik zu beschreiben und online zugänglich zu machen. Die Möglichkeit derartiger Alternationen, deren semantische oder pragmatische Implikationen sowie die Dokumentation von Kollokationen bildeten besondere Schwerpunkte des Projekts. Für das Ladakische konnten nun insgesamt 950 Verben dokumentiert werden. 46% dieser Verben haben mit zusätzlichen Lesarten oder mit Kollokationen verbundene unterschiedliche Kasusrahmen. Diese Lesarten bilden insgesamt 1.710 Untereinträge. Zusammen mit den Haupteinträgen ohne Lesarten ergeben sich somit 2.221 Ein- bzw. Untereinträge. Diese beinhalten insgesamt 1.196 Kollokationen. Dagegen ist die Zahl der belegten Funktionsverbgefüge mit 98 eher gering. Es liegen nunmehr über 21.300 Beispielsätze mit vollständiger Interlinearversion und Übersetzung vor. Dabei wurden eine Vielzahl von Kasuskombinationen belegt, darunter auch typologisch eher unerwartete Fälle wie etwa die Markierung des einzig möglichen Argumentes mit einem obliquen Kasus (Ergativ, Dativ/Aesthetiv oder Ablativ), ebenso zweiwertige Verben mit zwei Argumenten in obliquen Kasus, sowie Verben mit zwei oder drei Argumenten im Absolutiv. Die online-Version des Valenzwörterbuches, die aufgrund einer detaillierten Annotation sehr spezifische Suchanfragen erlaubt, ist bereits eingeschränkt zugänglich. Insgesamt läßt sich festhalten, daß die Verwendung der Kasusmorpheme im Tibetischen und insbesondere im Ladakischen weniger dazu dient, grammatische Rollen zu differenzieren oder zu spezifizieren oder spezifische semantische Eigenschaften einzelner Argumente aufzuzeigen. Vielmehr bilden die jeweiligen Morpheme in ihrer jeweiligen Position und jeweiligen Kombination zusammen verschiedene Handlungszenarien als Ganze ab. Die große Vielfalt möglicher Satzkonstruktionen im Ladakischen spricht zudem auch gegen eine linguistische Auffassung, nach der Sätze grundsätzlich nur unter Anwendung einiger weniger abstrakter Regeln aus einzelnen Komponenten generiert werden, und eher für die Annahme, daß mit jeder Verbbedeutung die möglichen Konstruktionen gestalthaft assoziiert sind, die als solche genauso erlernt werden, wie einzelne Vokabeln in ihrem jeweiligen Bedeutungsumfeld. Die detaillierte und systematische Beschreibung der jeweils möglichen Satztypen „kleiner“ Sprachen ist ein typologisches Desiderat. Für das Ladakische konnte diese Lücke nunmehr für zwei repräsentative Dialekte geschlossen werden. Es wäre jedoch durchaus sinnvoll, diese Untersuchung auszuweiten auf weitere ladakische Dialekte. Vergleichbare Untersuchungen sollten auch für andere moderne tibetische Sprachen oder generell für andere unterdokumentierte „kleine“ Sprachen durchgeführt werden. Insofern hat das Valenzwörterbuch der ladakischen Verben durchaus Modellcharakter.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2011. For love of the word: a new translation of Pt 1287, the Old Tibetan Chronicle, chapter I. In: Yoshiro Imaeda et al. eds., New studies of the Old Tibetan Documents: philology, history and religion. (Old Tibetan Documents Online Monograph Series, 3.) Tokyo: Research Institute for Languages and Cultures of Asia and Africa, Tokyo University of Foreign Studies: 97-213
    Bettina Zeisler
  • 2011. Kenhat, the dialects of Upper Ladakh and Zanskar. In: Mark Turin and Bettina Zeisler (eds.), Himalayan Languages and Linguistics. Studies in Phonology, Semantics, Morphology and Syntax. (Brill’s Tibetan Studies Library, 5/12.) Leiden etc.: Brill: 235-301
    Bettina Zeisler
  • 2012. Practical issues of pragmatic case marking variations in the Kenhat varieties of Ladakh. Linguistics of the Tibeto-Burman Area: 35.1: 75-106
    Bettina Zeisler
  • 2014. A Valency Dictionary of Ladakhi Verbs
    Bettina Zeisler
  • 2014. Modal verbs and modal constructions in Ladakhi. Journal of South Asian Languages and Linguistics 1.1: 31–57
    Bettina Zeisler
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/jsall-2014-0003)
 
 

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