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Grundmechanismen der Rissinitiierung und der zyklischen Plastizität im VHCF-Bereich unter besonderer Berücksichtigung der Korngröße

Fachliche Zuordnung Metallurgische, thermische und thermomechanische Behandlung von Werkstoffen
Förderung Förderung von 2005 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 15786247
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des Vorhabens war es, durch systematische Untersuchungen von metallischen Werkstoffen grundlegende Erkenntnisse über die zyklische Plastizität im Bereich sehr hoher Ermüdungslebensdauern, dem so genannten Very High Cycle Fatigue (VHCF)-Bereich zu gewinnen. Der wissenschaftliche Kenntnisstand zu den Ermüdungsvorgängen und damit verbunden zur zyklischen Plastizität in diesem Bereich war zum Zeitpunkt des Projekt Beginns sehr unzureichend, obwohl dieser Bereich für einige technologische Anwendungen von Bedeutung ist und es in der Literatur bereits seit längerer Zeit Untersuchungen gibt, die die „klassische“ Dauerfestigkeit bei 107 Zyklen in Frage stellten und ein mehrstufiges Lebensdauerdiagramm postulierten. Auf der Basis der Kenntnisse zur zyklischen Plastizität im Low Cycle Fatigue (LCF) bzw. High Cycle Fatigue (HCF) Bereich wurden in der Literatur einige Hypothesen zur Erklärung des VHCF-Ermüdungsverhaltens formuliert. Ziel dieses Vorhabens war es daher, folgende offene Fragen zu klären:  Gibt es eine mehrstufige Lebensdauerkurve bei reinen, ausscheidungsfreien Typ-I- Werkstoffen?  Was sind die dominierenden Schädigungsmechanismen in diesem Bereich?  Wo ist der Rissentstehungsort?  Wie wirkt sich die Korngröße auf die VHCF-Lebensdauer und die dominierenden Schädigungsmechanismen aus?  Wie ändert sich das beobachtete Verhalten beim Übergang auf Typ-II-Werkstoffe? Um die dominierenden Schädigungsmechanismen im VHCF-Bereich an Typ-I- Werkstoffen zu untersuchen, wurden an technisch reinem Aluminium systematische Oberflächenuntersuchungen im Licht-, Rasterkraft- und Rasterelektronenmikroskopie durchgeführt. Dabei wurden die Proben in unterbrochenen Ermüdungsversuchen zu bestimmten Zyklenzahlen hinsichtlich der Entwicklung der Oberflächenaufrauung und weiterer Anzeichen für zyklische Plastizität untersucht. Ferner wurde der Einfluss der Korngröße bei Typ-I-Werkstoffen und die VHCF-Schädigungsmechanismen bei Typ-II- Werkstoffen untersucht. Bei einschluss- bzw. ausscheidungsbehafteten, sogenannten Typ-II-Werkstoffen wurde in der Literatur postuliert, dass der schädigungsrelevante Riss an derartigen Einschlüssen im Inneren der Probe entsteht. Es wurde ferner vermutet, dass dieser Rissbildungsmechanismus in Konkurrenz zu den Rissbildungsmechanismen ausgehend von der Oberfläche, wie er für Typ-I-Werkstoffe gefunden wurde, steht. Um diesen Fragestellungen nachzugehen, wurde die ausscheidungsfähige Legierung AA6082 in unterschiedlichen Wärmebehandlungszuständen untersucht. Im Rahmen der hier durchgeführten Untersuchungen an Typ-I-Werkstoffen konnte gezeigt werden, dass die Korngröße einen entscheidenden Einfluss auf die Form der Ermüdungslebensdauerkurve besitzt. Der Zustand mit einer Korngröße von ca. 70 µm zeigte ein zweistufiges Lebensdauerdiagramm mit einer klassischen Dauerfestigkeit. Die Charakterisierung der Entwicklung der Oberflächenaufrauung ergab, dass diese Proben mit zunehmender Zyklenzahl im VHCF-Bereich eine sehr ausgeprägte Oberflächenaufrauung aufwiesen. Trotz dieser ausgeprägt starken Irreversibilität der plastischen Verformung kam es zu keinem Versagen der Proben bis zu 1010 Zyklen bei einer Ermüdungsbelastung mit einer Spannungsamplitude unterhalb der klassischen Dauerfestigkeit. Die Untersuchung der Proben mit einer Korngröße von 320 nm, hergestellt durch Ultrahochverformung (ECAP), ergaben hingegen ein mehrstufiges Lebensdauerdiagramm mit einem weiteren Abfall der Ermüdungslebensdauer nach etwa 5×107 Zyklen. Bei diesen Proben konnten auf den Oberflächen Extrusionsbildung und Rissentstehung im VHCF-Bereich festgestellt werden. Ferner konnte gezeigt werden, dass sich Poren unterhalb der Extrusionen gebildet haben. Der Mechanismus dieser Porenbildung ist derzeit unklar. Vorgeschlagen wird, dass es sich dabei um eine verformungsinduzierte Kondensation von Leerstellen handelt. Hierzu sind weitere Untersuchungen notwendig. Für beide Korngrößen konnte festgestellt werden, dass mit sinkender Spannungsamplitude (unterhalb der klassischen Dauerfestigkeit), das Auftreten von Gleitspuren und Extrusionen an der Oberfläche abnimmt und zunehmend in einzelnen Körnern lokalisiert ist. In diesem Zusammenhang sollte in weiteren Untersuchungen geklärt werden, in welchem Maße die lokalen kristallographischen Bedingungen (Orientierungen des Korns und der nächsten Nachbarn) das Auftreten dieser Verformungslokalisierung beeinflussen. Die Untersuchung der Legierung AA6082 (Typ-II- Werkstoff) mit unterschiedlichen Ausscheidungszuständen ergab zum einem, dass durch eine Wärmebehandlung der Rissentstehungsort vom Inneren an die Oberfläche verschoben werden kann. Ein direkter mit der Ausscheidungsgröße konnte nicht abgeleitet werden. Vielmehr legen die Ergebnisse aus den Nanoindetierungsmessungen nahe, dass die Verformungseigenschaften der Matrix den Rissentstehungsort im entscheidenden Maße bestimmen. Hierbei hat sich ergeben, dass eine weichere und damit duktiler Matrix den Rissausgangsort an der Oberfläche begünstigt, während die Proben mit einer höhere Festigkeit und damit reduzierten Duktilität der Matrix einen Rissausgangsort im Inneren besaßen. In diesem Zusammenhang scheint die lokale Festigkeit der Matrix einen entscheidenden Einfluss auf das Versagen im VHCF-Bereich zu haben. Eine ähnliche Interpretation lassen auch die an technisch reinem Aluminium gewonnenen Ergebnisse zu. Basierend auf den bisherigen Ergebnissen scheinen daher lokale Unterschiede bzw. Abweichungen in der Mikrostruktur und in den lokalen mechanischen Eigenschaften eine dominierende Rolle auf die im VHCF-Bereich auftretenden Schädigungsmechanismen zu haben. Als „mikrostrukturelle Singularitäten“ werden dabei neben Einschlüssen mittlerweile in der Literatur auch andere Abweichungen von der Homogenität eines Werkstoffs, wie z. B. „Supergrains“ oder der Begriff „featureless crack initiation“ diskutiert. Die Klärung der Frage, welche Mechanismen zur Schädigung und zur Rissentstehung im VHCF-Bereich führen und welche Wechselwirkungen zwischen der im VHCF-Bereich stark lokalisierten zyklischen Plastizität und den lokalen mikrostrukturellen Details zur Bildung eines wachstumsfähigen Riss führen, ist der Schlüssel, um das Ermüdungsverhalten im VHCF-Bereich besser zu verstehen. Daher müssen weitere Untersuchungen darauf abzielen, die dominierenden mikrostrukturellen Einflussgrößen auf das Ermüdungsverhalten und die Schädigungsvorgänge im VHCF-Bereich besser zu verstehen. Dabei sind neben umfangreichen und aufwändigen Experimenten sicherlich auch moderne Methoden der Simulation und begleitende in-situ Experimente einzubinden. Von besonderem Interesse sind dabei die Wechselwirkungen der lokalen Mikrostruktur, den daraus resultierenden lokalen mechanischen Eigenschaften und der Rissinitiierung im VHCF-Bereich. Im Rahmen eines Folgeprojekts sollen am Modellsystem Reineisen bis zum vollperlitischem Stahl durch eine systematische Variation der Mikrostrukturen hinsichtlich Korngröße, Perlitinselgröße, -anteil und -morphologie Aufschluss über die Wechselwirkung zwischen lokaler Mikrostruktur, lokalen mechanischen Eigenschaften und der Rissinitiierung im VHCF-Bereich gewonnen werden. Auch die Frage nach dem Einfluss lokaler kristallographischer Unterschiede und der Einfluss des Gleitcharakters der Werkstoffe soll in diesem Zusammenhang untersucht werden. Übergeordnetes Gesamtziel des Vorhabens ist es, auf der Basis der Ermittlung der Mikrostruktur-Eigenschaftskorrelation, ein vertieftes Verständnis der relevanten Schädigungsmechanismen im VHCF-Bereich zu entwickeln.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • In: Proc. of 4th Int. Conf on Very High Cycle Fatigue, VHCF-4, J.E. Allison, J.W. Jones, J.M. Larsen. R.O. Ritchie (eds.), Ann Arbor, USA, 2007, pp. 59-66
    H.W. Höppel, L.R. Saitova, H.J. Grieß, M. Göken
  • Oberflächenaufrauung und Ermüdungsverhalten von Aluminium mit unterschiedlichen Korngrößen im VHCF-Bereich. In: Werkstoffprüfung 2007, M. Pohl (ed.), Wiley-VCH, 2007, pp.407-414
    L. Saitova, H.J. Grieß, H.W. Höppel, M. Göken
  • Dissertation Universität Erlangen-Nürnberg, 2009
    L. Saitova (May)
  • Cyclic deformation and fatigue properties of very fine-grained metals and alloys. Int. J. Fatigue 32 (2010), 1413-1427
    H. Mughrabi, H.W. Höppel
  • Influence of grain size and precipitates on the fatigue lives and deformation mechanisms in the VHCF-regime. In: Proc. of 10th Int. Fatigue Congress, P. Lukâš, L. Kunz (eds.), Prague 2010, Procedia Engineering, Volume 2, pp. 1025-1034
    H.W. Höppel, L. May, M. Prell, M. Göken
  • Influence of grain size and precipitation state on the fatigue lives and deformation mechanisms of CP-aluminium and AA6082 in the VHCF-regime. Int. J. Fatigue 33 (2011), 10-18
    H.W. Höppel, L. May, M. Prell, M. Göken
 
 

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