Emotionale Modulation von Gedächtnisenkodierung und -abruf im Kontext des Tatwissentests
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Tatwissentest ist ein wichtiges Verfahren der forensischen Psychologie, das der Aufdeckung verheimlichten Tatwissens dient. Frühere Studien zur Validität dieses Tests basierten meist auf artifiziellen, stark standardisierten Laborbedingungen und ließen die Frage außer acht, wie und welche Tatdetails während eines emotional aufwühlenden kriminellen Delikts überhaupt enkodiert werden. Zur Beantwortung dieser Frage wurden sowohl Analogstudien mit speziell entwickeltem Stimulusmaterial (komplexe Bildergeschichten) als auch Scheinverbrechenstudien durchgeführt, in denen Probanden einen simulierten Diebstahl begangen. Die Enkodierung der Tatdetails erfolgte inzidentell und das Tatwissen wurde entweder direkt nach der Tat oder nach einer zeitlichen Verzögerung mit Hilfe eines Tatwissentests überprüft. Dabei kamen sowohl autonome (elektrodermale, respiratorische und kardiovaskuläre Größen) als auch neuronale Maße (ereigniskorrelierte Potentiale im EEG und funktionelle Magnetresonanztomographie) zum Einsatz. In diesen Studien konnten wir zeigen, dass (1) erhöhter Stress die Erinnerung an periphere Tatdetails verringert, dies jedoch nicht zwangsläufig mit einer Reduktion der Validität des Tatwissentests verbunden ist; (2) diese Effekte auf neuronaler Ebene durch temporoparietale Regionen vermittelt werden, sich jedoch nicht durch einfache Aufmerksamkeitseffekte im Sinne einer verstärkten Betrachtung erklären lassen; (3) die Tiefe der Verarbeitung elektrodermale Reaktionen im Tatwissentest moduliert, jedoch keinen Einfluss auf elektrokortikale Erkennungsmaße hat; (4) neuronale Aktivität im Tatwissentest primär die Wiedererkennung von enkodierten Tatdetails anzeigt und sich damit auch zur Detektion von Planungen krimineller Delikte eignet. Auf der anderen Seite haben jedoch Unschuldige mit tatspezifischem Wissen (z.B. Zeugen) ein hohes Risiko falsch positiv klassifiziert zu werden. Schließlich konnten wir zeigen, dass sich (5) okulare Maße wie Fixationsparameter oder Blinzler zur Aufdeckung tatspezifischen Wissens eignen. Die vorliegenden Studien demonstrieren die Eignung des Tatwissentests zur validen Identifikation von Tätern auch unter realitätsnäheren Bedingungen. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Theorienbildung in diesem Bereich und haben wichtige Implikationen für den Anwendungskontext. Auf Basis dieser Ergebnisse erscheint eine entsprechende Erweiterung des Methodeninventars zur Optimierung der polizeilichen Ermittlungsarbeit vielversprechend.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2012). Emotional arousal modulates the encoding of crime related details and corresponding physiological responses in the Concealed Information Test. Psychophysiology, 49, 381-390
Peth, J., Vossel, G., & Gamer, M.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/j.1469-8986.2011.01313.x) - (2012). P300 amplitudes in the Concealed Information Test are less affected by depth of processing than electrodermal responses. Frontiers in Human Neuroscience, 6, 308
Gamer, M., & Berti, S.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fnhum.2012.00308) - (2013). Aktuelle Forschung zur Validität des Tatwissentest: Der Einfluss von Emotionen. Praxis der Rechtspsychologie. 23, 151-165
Peth, J., & Gamer, M.
- (2013). Effects of emotional context on memory for details: The role of attention. PLoS ONE, 8, e77405
Kim, J. S. C., Vossel, G., & Gamer, M.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0077405) - (2013). Fixations and eye-blinks allow for detecting concealed crime related memories. International Journal of Psychophysiology, 88, 96-103
Peth, J., Kim, J. S. C., & Gamer, M.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.ijpsycho.2013.03.003) - (2014). Mind-reading using neuroimaging: the future of deception detection? European Psychologist, 19(3), 172-183
Gamer, M.
(Siehe online unter https://psycnet.apa.org/doi/10.1027/1016-9040/a000193)