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Der traumatisierte Raum. Topographie, Dissemination und Übertragung des Holocaust
Antragstellerin
Professorin Dr. Judith Kasper
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung von 2009 bis 2014
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 159010444
Trauma und Raum sind die zentralen Begriffe des Forschungsvorhabens. Sie evozieren eine Reihe heterogener literatur- und kulturwissenschaftlicher Problemfelder und Theorieansätze, die hier zum ersten Mal zusammengeführt und in der gegenseitigen Beleuchtung neu gedacht werden sollen: zum einen die Ergebnisse der Traumaforschung in Psychoanalyse, Literatur- und Kulturwissenschaft; zum anderen die unter dem Stichwort des spatial turn entwickelten Ansätze einer Raumwissenschaft. Unter eingehender Bezugnahme auf repräsentative literarische Werke des 20. Jahrhunderts (Blanchot, Celan, Kertész, Levi, Perec, Semprun u.a.), die dem Schreiben nach Auschwitz verpflichtet sind, wird ein Konzept des traumatisierten Raumes entworfen und veranschaulicht, das zu einer Problematisierung der im kulturellen Gedächtnis wie auch in den Kulturwissenschaften dominanten topologischen Repräsentationen des Völkermords an den europäischen Juden beiträgt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Frage nach der spezifischen Rolle von Literatur als Raum, in dem begriffliche Problematisierungen, z.B. die beunruhigende Nähe zwischen dem Zuhause und dem Lager (Levi, Celan, Kertész) sowie der Idylle und dem Lager (Blanchot, Kofman, Lanzmann u.a.), statthaben ebenso wie im Spannungsfeld von Wort und Geist bzw. buchstäblichem und wörtlichem Wortverständnis stets neue sprachliche Wendungen jenseits der traumatischen Festschreibung, aber auch diesseits der Vorstellung von Heilung und Überwindung erschrieben und erprobt werden (dargestellt insbesondere am Beispiel von Freud, Perec, Goldschmidt, Semprun). Aufgrund der erstaunlichen Insistenz intertextueller Bezüge in zahlreichen Lagertexten zu Dantes Commedia (insb. zum ersten Teil des Inferno) wird die Arbeit mit einer Rückwendung zum Beginn der modernen Literatur enden und Dantes Commedia insgesamt als ein Dispositiv lesen, welches Elemente bereit stellt, die die unausdenkbaren Ausmaße der Vernichtung, das Irreparable und Unbewältigte an ihr, benennen sowie der räumlichen Entgrenzung im Trauma eine sprachliche, ja poetische Struktur verleihen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen