Der Körper des Bergmanns in der Industrialisierung: Biopolitik im Ruhrkohlenbergbau 1890 - 1980
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Arbeit des Bergmanns war vor allem im Untertageabbau lange Zeit geprägt durch harte körperliche Anstrengung und spezifische Umweltbedingungen (Dunkelheit, Schmutz, Enge, Feuchtigkeit usw.), die eine lang andauernde berufsbezogene Identitätsbildung der Bergleute begünstigte. Diese war durch eine männlichkeits- und produktionsorientierte Risikokultur gekennzeichnet. Am Beispiel des Ruhrbergbaus wurden Entstehung und Wandel der daraus abgeleiteten soziokulturellen Konstruktionen des bergmännischen Körpers ebenso untersucht wie deren Einbettung in die sozialen Praktiken der bergmännischen Arbeit sowie des medizinischen Wissens und Handelns. Die Bedeutung des bergmännischen Körpers als identitätsstiftendes Moment und als gemeinsamen Fixpunkt für die Herausbildung und den Wandel gruppenspezifischer Mentalitäten, Deutungsmuster und Selbstwahrnehmungen sowie der damit verknüpften Handlungs- und Entscheidungsdispositionen der Akteure konnte nachgewiesen werden. Die grundlegende These, dass der Körper des Bergmanns seit dem Ende des 19. Jahrhunderts das politische Handeln der Akteure im Ruhbergbau (Staat, Unternehmen, Arbeiter, Knappschaftsversicherung usw.) strukturierte und in ein biopolitisches Ordnungsgefüge eingebunden wurde, hat sich als tragbar erwiesen. Ein überraschendes Ergebnis des Forschungsprojektes war, dass die Bergarbeitergewerkschaften bis in die 1970er Jahre hinein keine herausragenden Akteure in den biopolitischen Auseinandersetzungen waren. Zwar gab es immer wieder Interventionen und Stellungnahmen vor allem im Hinblick auf die schwierigen Arbeitsbedingungen unter Tage, im Verhältnis zur Bedeutung von Lohn- und Arbeitszeitfragen spielten arbeitsmedizinische Problemfelder nur eine untergeordnete Rolle. Dies hat etwas damit zu tun, dass mit der von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch besetzten Knappschaftsversicherung eine "Konfliktarena" vorhanden war, die zwar auch gewerkschaftlich genutzt wurde, aber letztendlich verhinderte, dass Gesundheitsthemen in öffentlichkeitswirksamen Protesten und Streiks eine zentrale Rolle einnahmen. Die geplante Sonderausstellung zum Forschungsprojekt am Deutschen Bergbau-Museum 2015 wird die Ergebnisse einem breiten öffentlichen Publikum bekannt machen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Die Hygiene des Bergmanns. Zur Biopolitik im Ruhrkohlenbergbau des Kaiserreichs, in: Blätter für Technikgeschichte, 2011, H. 73, S. 31-54
Lars Bluma
- Der Körper des Bergmanns in der Industrialisierung. Biopolitik im Ruhrkohlenbergbau 1890- 1980, in: Kontrollierte Arbeit - disziplinierte Körper? Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Industriearbeit im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Lars Bluma/ Karsten Uhl, Bielefeld 2012, S. 35-73
Lars Bluma
- Die Hygienisierung des Ruhrgebiets: Das Gelsenkirchener Hygiene-Institut im Kaiserreich, in: Seuche und Mensch. Herausforderung in den Jahrhunderten, hg. v. Carl Christian Wahrmann/Martin Buchsteiner/Antje Strahl, Berlin 2012, 347-367
Lars Bluma
- Kontrollierte Arbeit – disziplinierte Körper? Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Industriearbeit im 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld 2012
Lars Bluma, Karsten Uhl
- Körper-, Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Neue Forschungsansätze zur Geschichte der sozialen Sicherung am Beispiel der Knappschaft an der Ruhr, in: Historische Überlieferung der Sozialversicherungsträger. Desiderate der Forschung und archivische Überlieferung, hg. v. Marc von Miquel/Marcus Stumpf, Münster 2012, S. 65-75
Lars Bluma
- The Hygienic Movement and German Mining 1890-1914, in: European Review of History – Revue europeen d`histoire, 20, 2013, Nr. 2, S. 177-196
Lars Bluma