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Analysis of transgenic mouse models for the role of polysialic acid and NCAM during brain development

Fachliche Zuordnung Molekulare Biologie und Physiologie von Nerven- und Gliazellen
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 160524507
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Während der Entwicklung des Nervensystems müssen zelluläre Interaktionen präzise reguliert werden. Bei Säugetieren spielt hierbei der polymere Zucker Polysialinsäure (PolySia) eine wichtige Rolle. PolySia tritt vor allem als posttranslationale Modifikation des neuralen Zelladhäsionsmoleküls NCAM auf und wird von zwei unabhängig voneinander regulierten Enzymen, den Polysialyltransferasen ST8SIA2 und ST8SIA4, synthetisiert. Durch Deletion dieser Enzyme in Mäusen wurde gezeigt, dass die Abwesenheit der PolySia zu unkontrollierten NCAM Interaktionen und hierdurch zu Missbildungen wichtiger Faserbahnen des Gehirns führt. Im Rahmen dieses Vorhabens wurden zunächst mögliche entwicklungsbiologische Ursachen dieser Defekte analysiert. Am Beispiel der in Abwesenheit der PolySia fehlgebildeten Axonverbindungen zwischen Thalamus und Cortex (thalamocortikale und cortikothalamische Fasern) und zwischen Mammillarkörpern und Thalamus (mamillothalamischer Trakt) wurde das Auftreten der PolySia auf und zwischen Axonen sowie auf umgebenden Zellen charakterisiert. Durch immunhistologische Färbungen und Markierung der Fasern wurden Störungen der axonalen Wegfindung und Faszikulation in PolySia-negativen Tieren nachgewiesen. Beim Versuch veränderte Entwicklungsprozesse über die Detektion neuronaler Marker zu verfolgen wurden überraschenderweise zwei weitere, schwerwiegende und bis dahin unerkannte Störungen der Hirnentwicklung PolySia-defizienter Mäuse entdeckt, deren Ursachen im weiteren Verlauf des Projekts untersucht wurden. Zum einen wurde eine Degeneration des Nucleus reticularis thalami diagnostiziert, eines strategisch wichtigen Zentrums zur Kontrolle der thalamischen Aktivität als „Tor zum Bewusstsein“. Aus Analysen des Entwicklungsverlaufs und aus Läsionsexperimenten an organotypischen Kulturen wurde geschlossen, dass die Degeneration in Folge verminderter cortikothalamischer Innervation eintritt. Zum anderen wurde eine Ausdünnung der durch die Markermoleküle Parvalbumin und Somatostatin gekennzeichneten Populationen inhibitorischer Interneurone im präfrontalen Cortex festgestellt. In beiden Polysialyltransferase-defizienten Linien (St8sia2-/- und St8sia4-/-) wurde eine Reduktion der Vorläufer dieser Zellen im embryonalen Cortex sowie eine Anreicherung in den Ganglienhügeln, dem Ort ihrer Entstehung nachgewiesen. Nach akutem, enzymatisch induziertem Verlust der PolySia verringerte sich zudem die Geschwindigkeit mit der sich die Vorläuferzellen fortbewegten. Folglich ist anzunehmen, dass die geringeren Dichten cortikaler Interneurone in PolySia-defizienten Mäusen auf Probleme bei der Migration im Verlauf der Embryonalentwicklung zurückzuführen sind. In vergleichenden Untersuchungen an St8sia2-/- und St8sia4-/- Mäusen konnten Veränderungen der thalamocortikalen Projektion und weitere neuroanatomische Abweichungen in St8sia2-/- Mäusen nachgewiesen und in Zusammenarbeit mit A. Zharkovsky (Universität Tartu, Estland) mit verändertem Lernverhalten und Defiziten der sensomotorischen Bahnung korreliert werden. In zellulären Modellsystemen wurden NCAM Interaktionen und Signalwege identifiziert, welche durch PolySia-Verlust an Zell-Zellkontakten induziert werden und zu erhöhter Adhäsion am Substratkontakt führen. Unter anderem konnten die hierbei wirksamen Bereiche in der extrazellulären Domäne des NCAM identifiziert werden. Um der Frage nachzugehen, ob diese Mechanismen auch zu den in vivo beobachteten Störungen der axonalen Wegfindung und Faszikulation beitragen wurden zwei komplementäre experimentelle Strategien verfolgt. An Explantatkulturen embryonaler Mammillarkörper wurden untersucht, wie sich Verlust von PolySia und die Zugabe definierter NCAM-Module auf die Faszikulation auswachsender Axone auswirken. Anders als im zellulären System zeigten jedoch alle zugesetzten Reagenzien deutliche Effekte und es blieb offen, ob bzw. welche spezifischen NCAM Interaktionen zur Regulation der Axonfaszikulation beitragen. Zur Analyse unterschiedlicher NCAM Interaktionen in vivo wurde die in utero Elektroporation als ein Verfahren zur ektopischen Expression humanen NCAMs im sich entwickelnden Mäusehirn etabliert. Im mammillothalamischen System konnte trotz intensiver Bemühungen keine transgene NCAM-Expression erreicht werden. Die Auswirkungen auf das Auswachsen mammillothalamischer Fasern konnten somit nicht wie geplant untersucht werden. Die Akkumulation von Aggregaten, in denen im Bereich der Mammillarkörper das Reportergen GFP nachgewiesen werden konnte, legte die Vermutung nahe, dass elektroporierte Zellen absterben. Die erfolgreiche Induktion transgener NCAM Expression in anderen Gehirnbereichen sowie in organotypischen Slice-Kulturen zeigte jedoch, wie sich diese Technik zukünftig gewinnbringend einsetzen lässt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2011) Polysialic acid controls NCAM signals at cell-cell contacts to regulate focal adhesion independent from FGF receptor activity. J. Cell Sci. 124 (19): 3279-3291
    Eggers K., Werneburg S., Schertzinger A., Abeln M., Schiff M., Scharenberg M.A., Burkhardt H., Mühlenhoff M., Hildebrandt H.
  • (2011) Thalamocortical pathfinding defects precede degeneration of the reticular thalamic nucleus in polysialic acid-deficient mice. J. Neurosci. 31 (4): 1302–1312
    Schiff M., Röckle I., Burkhardt H., Weinhold B., Hildebrandt, H.
  • (2013) Polysialic acid: versatile modification of NCAM, SynCAM 1 and neuropilin-2. Neurochem. Res. 38: 1134- 1143
    Mühlenhoff M, Rollenhagen M, Werneburg S, Gerardy-Schahn R, Hildebrandt H
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11064-013-0979-2)
  • (2013) Schizophrenia-like phenotype of polysialyltransferase ST8SIA2-deficient mice. Brain Struct. Funct.
    Kröcher T., Malinovskaja K., Jürgenson M., Aonurm-Helm A., Zharkovskaya T., Kalda A., Röckle I., Schiff M., Weinhold B., Gerardy-Schahn R., Hildebrandt H., Zharkovsky A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00429-013-0638-z)
  • (2014) Sialic acids in the brain: gangliosides and polysialic acid in nervous system development, stability, disease, and regeneration. Physiol Rev. 94, 461-518
    Schnaar RL, Gerardy-Schahn R, Hildebrandt H
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1152/physrev.00033.2013)
  • A crucial role for polysialic acid in developmental interneuron migration and the establishment of interneuron densities in the mouse prefrontal cortex. Development, 2014 141: 3022-3032
    Kröcher T., Röckle I., Diederichs U., Weinhold B., Burkhardt H., Yanagawa Y., Gerardy-Schahn R., Hildebrandt H.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1242/dev.111773)
 
 

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