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Die Rolle von Bildmerkmalen für die Interaktion von Aufmerksamkeit und Objekterkennung unter natürlichen Bedingungen

Fachliche Zuordnung Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung Förderung von 2009 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 160606115
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bei der Verarbeitung komplexer natürlicher Reize ist das menschliche Sehsystem erstaunlich effizient. Es stellt sich daher die Frage, welche Reizmerkmale diese Verarbeitung ermöglichen und inwieweit diese mit Aufmerksamkeitsprozessen interagieren. In dem geförderten Projekt widmeten wir uns drei zentralen Fragestellungen: erstens, wie wirken sich einfache Merkmale (z.B. Kontrast, Farbe) auf die Erkennung schnell präsentierter Reize aus? Zweitens, wie wirken sich die gleichen Merkmale auf die Ausrichtung des Blickes während längerer Bildbetrachtung aus? Und drittens, inwieweit lassen sich die mit natürlichen Bildern unter Laborbedingungen erhaltenen Daten auf tatsächliches Verhalten in der realen Welt übertragen? Werden natürliche Bilder Versuchspersonen für einige Sekunden gezeigt und diese gebeten, relevante Objekte in der gezeigten Szene zu benennen, so gibt es eine Korrelation zwischen Nennungswahrscheinlichkeit und der Wahrscheinlichkeit das Objekt mit der Augen zu fixieren („Salienz“). Wir konnten nun zeigen, dass jede Veränderung des Kontrasts eines Objektes die Wahrscheinlichkeit der Benennung steigert, aber nur Kontrasterhöhungen die Fixationswahrscheinlichkeit steigern. Dies zeigt, dass Salienz und Relevanz eines Objektes für die Szene zwar über Bildstatistik gekoppelt, aber – entgegen einer in der Modellierungsliteratur gelegentlich getätigten Annahme - nicht identisch sind. In einem weiteren Vergleich der so erhaltenen Fixationswahrscheinlichkeit eines Objektes mit der Wahrscheinlichkeit das Objekt während sehr kurzer Darbietung in einer Sequenz von Szenen zu erkennen, finden wir wiederum eine starke Korrelation zwischen Fixationswahrscheinlichkeit und Erkennungsleistung, obwohl beide Aufgaben sehr unterschiedliche Zeitskalen beinhalten. Dies zeigt, dass auch für natürliche Reize zeitliche Aufmerksamkeitsprozesse und durch Augenbewegungen ausgedrückte räumliche Aufmerksamkeit gemeinsame Grundlagen haben. In Hinblick auf Farbe fanden wir nur einen sehr geringen Einfluss auf die Erkennungsleistung und konnten nachweisen, dass Farbe sich überraschenderweise auch nicht auf typische Aufmerksamkeitsmaße auswirkt, sondern stattdessen eher die frühe (d.h. der Aufmerksamkeitszuteilung vorgelagerten) Trennung von Figur und Hintergrund unterstützt. Generell finden wir, dass bei der Aufmerksamkeitssteuerung einfache Reizmerkmale gegenüber Objekten eine untergeordnete Rolle spielen. In Hinblick auf die Übertragbarkeit unserer Ergebnisse in die reale Welt, konnten wir den Einfluss einer impliziten Aufgabe, nämlich des Vermeidens von Stolpern auf unebenem Untergrund, auf die Blickausrichtung quantitativ nachweisen. Dabei zeigen sich komplementäre Aufgaben von Kopf- und Augenbewegungen bei der Blickausrichtung. Diese lassen sich dann wiederum im Labor, durch die Präsentation blick- und kopfzentriert gewonnener Daten genauer quantifizieren, wie wir am Beispiel von Fehlern bei der schnellen Gesichtsdetektion exemplarisch zeigen konnten. Die Ergebnisse und methodische Erfahrung aus den Messungen von Blickdaten in der realen Welt konnten wir unter anderem auf die Kommunikation mit bewegungsunfähigen (locked-in) Patienten durch Pupillometrie, auf die Diagnose verschiedener Parkinsonformen sowie auf Fragestellungen im Kontext ergonomisch optimaler Arbeitsplatzausleuchtung anwenden. Die Studie zum Effekt verschiedener Untergründe auf die Blickausrichtung beim Gehen in der natürlichen Welt fand ob ihrer Durchführung in der historischen Altstadt Marburgs einige Berichterstattung in der lokalen Presse. Die Studie zur Kommunikation mit locked-in Patienten via Pupillometrie war Gegenstand der Berichterstattung in zahlreichen überregionalen und internationalen Medien (siehe http://www.uni-marburg.de/fb13/forschung/neurophysik/gruppeeinhaeuser/presse).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Faces in places: humans and machines make similar face detection errors. PLoS One. 2011; 6(10):e25373
    't Hart BM, Abresch TG, Einhäuser W
  • Mobile three dimensional gaze tracking. Stud Health Technol Inform. 2011; 163:616-622
    Stoll J, Kohlbecher S, Marx S, Schneider E, Einhäuser W
  • Animal detection and identification in natural scenes: image statistics and emotional valence. J Vis. 2012; 12(1). pii:25
    Naber M, Hilger M, Einhäuser W
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1167/12.1.25)
  • Mind the step: complementary effects of an implicit task on eye and head movements in real-life gaze allocation. Exp Brain Res. 2012; 223(2):233-249
    't Hart BM, Einhäuser W
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00221-012-3254-x)
  • Validation of mobile eye-tracking as novel and efficient means for differentiating progressive supranuclear palsy from Parkinson's disease. Front Behav Neurosci. 2012; 6:88
    Marx S, Respondek G, Stamelou M, Dowiasch S, Stoll J, Bremmer F, Oertel WH, Höglinger GU, Einhäuser W
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3389/fnbeh.2012.00088)
  • Attention in natural scenes: contrast affects rapid visual processing and fixations alike. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 2013; 368(1628):20130067
    't Hart BM, Schmidt HC, Klein-Harmeyer I, Einhäuser W
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1098/rstb.2013.0067)
  • Fixations on objects in natural scenes: dissociating importance from salience. Front Psychol. 2013; 4:455
    't Hart BM, Schmidt HC, Roth C, Einhäuser W
  • Pupil responses allow communication in locked-in syndrome patients. Curr Biol. 2013; 23(15):R647-648
    Stoll J, Chatelle C, Carter O, Koch C, Laureys S, Einhäuser W
 
 

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