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Migration, Mobilitätskontrolle und Rebordering in Zentralamerika

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2009 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 161499594
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Paradigma des International Migration Management hat ein neues regionales Mobilitätsregime in Nord- und Zentralamerika geformt, das auch die Bedeutung, Funktion und Form der extrem durchlässigen zwischenstaatlichen Grenzen der zentralamerikanischen Länder verändert hat. Entstanden sind neue Grenzregime, deren Charakteristika am Beispiel der Grenze zwischen Costa Rica und Nicaragua in diesem Forschungsprojekt untersucht wurden. Die institutionellen Arrangements dieser interdependenten Regime sind vor allem durch die Kriminalisierung der irregulären Migration gekennzeichnet, die undokumentierte grenzüberschreitende Bewegungen mit organisierter Kriminalität, insbesondere mit Menschenschmuggel (human smuggling) und Menschenhandel (human trafficking), verknüpft. Dieser Antitrafficking-Diskurs sowie die damit verbundenen Maßnahmen zur Bekämpfung der irregulären Migration in Nord- und Zentralamerika wirken als leitendes Narrativ der Reorganisation des Migrationsfeldes auf der regionalen und lokalen Ebene. Die im Rahmen des Forschungsprojektes vorgenommene Analyse der „Regionalen Konferenz über Migration in Nord- und Zentralamerika" (RCM), an der Vertreter/innen der meisten nord- und zentralamerikanischen Länder sowie intergouvernementale Organisationen beteiligt sind, zeigt, dass diese als regionale Arena gesehen werden kann, in denen das Antitrafficking-Paradigma ein wichtiges Element von Innovationen der Art und Weise bildet, wie „die metropolitanen Staaten die Länder des globalen Südens regleren" (Andrijasevic/Walters). Indem human smuggling and trafficking als gemeinsame Bedrohung definiert wird, das die metropolitanen wie die peripheren Staaten gleichermaßen betrifft, wird Nord- und Zentralamerika über das institutionelle Arrangement der RCM zu einer homogenen Region gleicher Interessen und gleichberechtigter Partnerstaaten konstruiert. Damit werden Machtasymmetrien zwischen den metropolitanen nordamerikanischen- und den peripheren zentralamerikanischen Ländern unsichtbar gemacht. Und tatsächlich partizipieren die zentralamerikanischen Staaten in der RCM lediglich an defizitäre Partner, die westliche Normen und Standards der Migrationsregulierung von den metropolitanen Staaten ,erlernen' müssen, insbesondere was das Management von irregulärer Migration und von Grenzen betrifft. Die Analyse des lokalen Grenzregimes der costaricanisch-nicaraguanischen Grenze ihrerseits hat gezeigt, dass die institutionelles Arrangements dieses Regimes grenzüberschreitende Mobilität nicht verhindert, sondern Zirkulation garantiert, um die Bewegungen und Körper mobiler Bevölkerungsgruppen flexibel zu steuern. Hier materialisiert sich der Antitrafficking-Diskurs sowohl als so genannte „pre-frontier" Top-Down Kontrollstrategien durch Sicherheitsbeamte wie auch in Form von Strategien sozialer Kontrolle durch Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Einrichtungen. Diese doppelten Kontrollstrategien bewirken eine selektive Kriminalisierung irregulärer Grenzgänger/innen und produzieren abgestufte Räume der Toleranz. Dies hat zu einer potenziellen lllegallsierung der Alltagspraktiken der lokalen Grenzgesellschaft geführt, die von undokumentierten Grenzüberschreitungen geprägt sind. Allerdings setzt sich diese ,Gesellschaft der Grenze' aus einer Vielzahl verschiedenster Akteure zusammen. Hierzu gehören Händler/innen, Landarbeiter/innen, Transporteure/innen, Schüler/innen und nicht zuletzt die Grenzbeamten/innen. Diese Akteure tolerieren häufig die illegalen grenzüberschreitenden Aktivitäten derjeweils Anderen. Und sie leben oder überleben von und mit diesen Aktivitäten. Daher bleibt die Grenzgesellschaft eine starke soziale Macht, die das Migration-Management-Paradigma weiterhin herausfordern und das Grenzregime mitgestalten wird.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2011): "Gestión Migratoria en Norte y Centroamérica: Manifestaciones y Contestaciones", in Anuario de Estudios Centroamericanos 37, S. 53-85
    Kron, Stefanie
  • (2011): "Regional Responses to Transnational Migration in North and Central America". SAS-Space, Working Paper Series, School of Advanced Studies, University of London
    Kron, Stefanie
 
 

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