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Warenhausliteratur und Konsumkultur zwischen 1880 und 1930

Antragsteller Dr. Uwe Lindemann
Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung von 2010 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 163255515
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Mittelpunkt der Projekts stand die Frage, warum im Kontext der literarischen Selbstbeschreibungen der Moderne Warenhäuser zu zentralen Sinnbildern der Modernisierungsprozesse um 1900 avancieren. Es konnte gezeigt werden, dass sich das Warenhaus von anderen Orten der Moderne (Grandhotel, Bahnhof, Kino usw.) dadurch unterscheidet, dass es auf konzeptueller Ebene die Moderne selbst in ihrer Heterogenität, Komplexität und Ambivalenz zur Anschauung bringt. In funktionaler Hinsicht bündelt es auf eine zu den Modernisierungsprozessen gegenläufige Tendenz zahlreiche Wissensfelder und Spezialdiskurse an einem Ort und stiftet damit symbolisch eine Einheit auf dem in hohem Maße heterogenen Feld der Verhandlungen über die Moderne um 1900. In diesem Zuge gewinnt das Warenhaus Modellcharakter, indem es die Kontingenz und Anomie moderner Lebenswelten nicht nur interdiskursiv verhandelbar, sondern krisenhaft erfahrbar macht. Diese diskursübergreifende Veranschaulichung der modernen Krisenhaftigkeit lässt das Warenhaus zu einer semiologisch „heißen“ Zone werden und sichert ihm über Jahrzehnte hinweg eine Aufmerksamkeit, die es über seine ökonomischen, technischen oder werblichen Innovationen niemals hätte erzielen können. In diesem Sinne lässt sich das Warenhaus als ein zentraler Schauplatz der Moderne begreifen. Was Albrecht Koschorke in Bezug auf Narrative feststellt, trifft im Rahmen der Modernediskussion um 1900 insbesondere auf das Warenhaus zu, dass jede Gesellschaft „Zonen und Praktiken der Entdifferenzierung“ benötige. Nur dort, wo sich Differenzierungen auflösten bzw. noch nicht fixiert seien, werde gesellschaftliche Selbstverständigung möglich. Genau dies leistet das Warenhaus im Rahmen der Modernisierungsdebatten. Die interdiskursive Funktion des Warenhauses gestattet dabei den Blick auf das „Ganze“ der Moderne. Hier liegt nicht zuletzt der Grund, warum die mit dem Warenhaus verbundenen „Geschichten“ und kollektiven Imaginationen, seien es die der Literatur, seien es die in anderen Diskursen, zeitgenössisch eine derartige Wirksamkeit entfalten konnten, ja teilweise bis heute entfalten. Im Rahmen des Projekts wurden mehr als einhundertdreißig literarische Werke aus der Zeit zwischen 1880 und 1940 ausgewertet sowie fast zweihundert andere Quellen, so dass auf transnationalem Niveau das diskursive Feld der Warenhausdebatten Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert rekonstruiert werden kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2007) Der Basar als Gebilde des hochkapitalistischen Zeitalters. In: Bogdal, Klaus-Michael (Hg.): Orientdiskurse in der deutschen Literatur. Bielefeld: Aisthesis, S. 243-271
    Uwe Lindemann
  • (2008) Im Bann der Auslagen. Literatur und Warenhauskultur um 1900. In: Schmitz-Emans, Monika/Lehnert, Gertrud (Hg.): Visual Culture. Heidelberg: Synchron, S. 197-212
    Uwe Lindemann
  • (2011) Schaufenster, Warenhäuser und die Ordnung der „Dinge“ um 1900. Überlegungen zum Zusammenhang von Ausstellungsprinzip, Konsumkritik und Geschlechterpolitik in der Moderne. In: Lehnert, Gertrud (Hg.): Raum und Gefühl. Der Spatial Turn und die neue Emotionsforschung. Bielefeld: Transcript, S. 189-215
    Uwe Lindemann
  • (2012) Mode als Massenware. Die Räume der Konfektion in der frühen Konsumkultur. In: Lehnert, Gertrud (Hg.): Räume der Mode. München: Fink, S. 85-99
    Uwe Lindemann
  • Madame Bovary und der moderne Hedonismus. Reflexionen zum Verhältnis von Literatur, globalisierter Warenwelt und Konsumkultur im 19. Jahrhundert. In: Moser, Christian/Simonis, Linda (Hg.): Figuren des Globalen : Weltbezug und Welterzeugung in Literatur, Kunst und Medien. S. 615-632. V&R unipress, 2014. Global Poetics - Band 001 ISBN 978-3-8471-0170-3
    Uwe Lindemann
  • Das Warenhaus als Metapher für Gesellschaft: Émile Zola und das kollektive Imaginäre der frühen Konsumgesellschaft. In: Zitzlsperger, Ulrike/Weiss-Sussex, Godela (Hg.): Konsum und Imagination: Das Warenhaus und die Moderne in Film und Literatur. Peter Lang Ed., Frankfurt am Main, 2015. 9783631642337
    Uwe Lindemann
  • Das Warenhaus: Schauplatz der Moderne. Böhlau Verlag Köln Weimar, 15.07.2015 - 377 S. ISBN 978-3-412-22534-6
    Uwe Lindemann
 
 

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