Politisches Strafrecht und Staatsschutzrecht im Kölner OLG-Bezirk von den 1940er bis zu den 1960er Jahren
Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Projekts war es, Alltagspraxis und Funktion politischer Strafjustiz in den 1950er und 1960er Jahren anhand des Fallsbeispiels des Kölner OLG-Bezirks zu untersuchen. Grundannahme bildete die die Überlegung, dass die politische Strafrechtsprechung in der frühen Bundesrepublik einen bedeutsamen Beitrag zur Stabilisierung der neuen Staats- und Gesellschaftsordnung leistete und den Antikommunismus als Gründungskonsens des neuen Staates stärkte. Ziel war es weiterhin, Demokratisierungs- und Liberalisierungsprozessen auf lokaler Ebene nachzugehen, sie auf gegenläufige Tendenzen zu prüfen und die Tiefe dieses Wandels in den Blick zu nehmen. Das Projekt fußt auf einer breiten Quellenbasis und umfasst Ermittlungs- und Verfahrensakten, Personalunterlagen, Presseberichte, zeitgenössische Publikationen und vereinzelt Zeitzeugenfragungen. Im Ergebnis zeigt sich, dass im Zuge der Rechtsprechung Wertmaßstäbe durchgesetzt wurden, die dazu beitrugen, die Akzeptanz für umstrittene politische Entscheidungen auf örtlicher Ebene zu erhöhen. Das Deutungsmuster der Justiz war dabei strikt dichotomisch angelegt und blieb bis in die Mitte der 1960er Jahre stabil. Die Konstruktion politischer Devianz wandelte sich insofern, als im Laufe der Zeit Verhaltensweisen als abweichend begriffen wurden, mit denen sich die Justizbehörden zuvor allenfalls am Rande beschäftigt hatten. Diese quantitative und qualitative Ausweitung der Strafverfolgung erreichte ihren Höhepunkt am Anfang der 1960er Jahre. Der anschließende Rückgang der Verurteilungen war Ergebnis eines komplexen Prozesses, an dem die Medien, eine sich herausbildende Zivilgesellschaft, die Delinquenten und ihre Strafverteidiger sowie die Justizbehörden selbst Anteil hatten und indem es zahlreiche Wechselwirkungen gab. Im Zuge der Gerichtsverfahren wurden liberalisierende Impulse aus Teilbereichen der Gesellschaft in den Justizapparat hineingetragen. Durch die große mediale Resonanz, auf die die Prozesse trafen, erreichten die sich wandelnden Wertmaßstäbe wiederum eine größere Öffentlichkeit und konnten gesamtgesellschaftliche Wirkmacht entfalten. Als lineare, widerspruchsfreie Entwicklung kann die Liberalisierung im Bereich des Staatsschutzsektors jedoch nicht betrachtet werden. Insbesondere der wachsende Einfluss der Verfassungsschutzämter begrenzte die Deutungshoheit der Judikative im Strafverfahren, machte Verfahrensabläufe intransparenter und verhinderte eine umfassende Kontrolle durch die Öffentlichkeit.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Strafvollzug in Köln 1933-1945. Eine Studie zur Normdurchsetzung während des Nationalsozialismus in der Straf- und Untersuchungshaftanstalt Köln-Klingelpütz, Berlin 2011 (RechtsGeschichte. Kölner interdisziplinäre Schriften zur Geschichte von Recht und Justiz; 2)
Stefan Thiesen
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Justiz im Krieg. Der Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939-1945, Berlin 2012 (RechtsGeschichte. Kölner interdisziplinäre Schriften zur Geschichte von Recht und Justiz; 3)
Hans-Peter Haferkamp, Margit Szöllösi-Janze, Hans-Peter Ullmann (Hg.)
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Organisationen im Krieg. Die Justizverwaltung im Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939-1945 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts; Bd. 71), Tübingen 2012
Matthias Herbers
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Strafjustiz an der Heimatfront. Die strafrechtliche Verfolgung von Frauen und Jugendlichen im Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939-1945 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts; Bd. 70), Tübingen 2012
Michael Löffelsender
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Die familienrechtlichen Entscheidungen des Landgerichts Köln in der Zeit von 1933 bis 1945, Berlin 2013 (RechtsGeschichte. Kölner interdisziplinäre Schriften zur Geschichte von Recht und Justiz; 4)
Jonas Küssner
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Richter in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft. Beruflicher und privater Alltag von Richtern im Oberlandesgerichtsbezirks Köln, 1933-1945 (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts; Bd. 74), Tübingen 2013
Barbara Manthe