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Armut in Deutschland 1950-1990

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2010 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 164847276
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Annahmen des Antrags, dass sowohl Armut wie Debatten darüber im untersuchten Zeitraum sehr verbreitet waren, wurden eindrucksvoll bestätigt – mit allerdings deutlichen Differenzierungen zwischen BRD und DDR. In beiden Teilen Deutschlands nutzten Zeitgenossen häufig den Begriff „Bedürftigkeit“, sprachen aber auch von Armen und unterschieden „würdige“ und „unwürdige“ Personen bzw. Gruppen. Damit knüpften sie an eine lange, mindestens bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition an. Wichtige Akteure waren zudem sowohl im Westen als auch im Osten Deutschlands kommunale Verwaltungen, Kirchen, Verbände und Fachleute. In der BRD traten aber auch weniger eindeutig greifbare Prozesse eines gesellschaftlichen Wertewandels hinzu. Vor allem letzterer trug wesentlich dazu bei, in der Armutspolitik traditionelle Konzepte von Armut und überkommene Familienideale ebenso zu überwinden wie Praktiken der Bevormundung und des Paternalismus. Hierbei spielten Medien und deren – einem Wandel unterworfene – Armutsikonografien eine wichtige Rolle, aber auch Studierende und eine neue Generation von Sozialarbeiter/innen. Mehr als zuvor betonten diese die Individualität von Armen und Bedürftigen und versuchten, diesen eine größere Selbstständigkeit zu geben. Parallel dazu trug das „Wirtschaftswunder“ wesentlich dazu bei, die traditionelle Fokussierung (fach-)öffentlicher Debatten auf materielle Armut zu überwinden und eine Wahrnehmung zu unterstützen, die unter diesem Begriff zunehmend auch die begrenzten Möglichkeiten der Teilhabe verstand. Die vielzitierte "Wiederentdeckung" der Armut in der seit Mitte der 1970er Jahre in der BRD geführten Debatte über "Neue Soziale Frage" war deshalb keine Zäsur, sondern knüpfte unmittelbar an die subkutanen Verschiebungen des Fachdiskurses der 1950er und 1960er Jahre an. In der DDR blieb eine vergleichbare Entwicklung hingegen – mit einzelnen Ausnahmen auf der lokalen Ebene – aus. Auch aus diesem Grund erweist sich die Sozialgeschichte der Armut in Ostdeutschland als ein außerordentlich schwer zu greifendes Phänomen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Armut und Armutspolitik in der Stadt: Castrop-Rauxel, Freiburg und Schwerin im innerdeutschen Vergleich, 1955 bis 1975, Freiburg 2014/15
    Dorothee Lürbke
  • „Elend im Wunderland“. Armutsvorstellungen und Soziale Arbeit in der Bundesrepublik 1955-1975, Diss. Freiburg 2018
    Meike Haunschild
 
 

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